DEM ANWENDEN MUSS DAS ERKENNEN VORAUSGEHEN MAX PLANCK

VORWORT DES GESCHÄFTSFÜHRENDEN DIREKTORS Manchmal sprechen Zahlen für sich. Daher seien hier einige statistische Angaben herausgegriffen, die das Institutsleben im abgelaufenen Jahr treffl ich veranschaulichen: 2023 sind 501 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 51 Ländern nach Hamburg gekommen, um sich mit uns auszutau- schen und in unserer Bibliothek zu forschen. Zudem haben wir 33 Stipendien und 7 Fellowships an Forschende aus insgesamt 24 Länder vergeben sowie 10 weitere Forschungsaufenthalte im Rahmen internationaler Kooperationen ermöglicht. Die Zahlen zeigen: Unser Institut ist und bleibt ein Magnet für die Privat- rechts- und Rechtsvergleichergilde aus aller Welt. Zwei weitere Zahlen: Im vergangenen Jahre fanden 51 Konfe- renzen, Vorträge und Workshops statt, an denen insgesamt 3.255 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen Welt mitwirkten. Pioniercharakter hatte die Decolonial Comparative Summer School, die methodologische Herangehensweisen und praktische Anwendungsmöglichkeiten der dekolonialen Rechts- vergleichung vermittelte. Die Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel“ richtete eine internationale Konferenz „Succession in Islamic Law“ aus, die erfolgreich ein interaktives Format mit fünf thematischen Panels erprobte. Internationale Symposien zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht fanden in Hamburg, Frankfurt, Madrid, Paris, Nijmegen und Wien statt. Von den Zahlen zu den Themen: Einen besonderen Schwerpunkt bildete das nachhaltige Privatrecht. Im Anschluss an einen inno- vativen Sammelband beschäftigten sich verschiedene Beiträge mit der Bedeutung des internationalen Privatrechts im Rahmen des nachhaltigen Wachstums. Aus unternehmensrechtlicher Perspektive wurde mit dem Recht der Sozialunternehmen („Law of Social Enterprises“) eine neue, interdisziplinär angelegte For- schungsreihe eröffnet. Das große Thema der Innovation im Pri- vatrecht war Gegenstand des Jahrestreffens unseres Vereins der Freunde. Um Neuerungen im Gesellschaftsrecht kreiste ein großes Vorhaben zu Rechtsformneuschöpfungen im in- und aus- ländischen Gesellschaftsrecht. Impulse für die Praxis vermittelt ein langfristig angelegtes For- schungsprojekt unseres Kompetenzzentrums für die Anwendung ausländischen Rechts: Eine erste Frucht sind die „Hamburger Leitlinien zur Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts“, die am Hanseatischen Oberlandesgericht der Fachöffentlichkeit vorgestellt wurden. Unser besonderer Fokus auf die Nachwuchsförderung zeigt sich an ganz verschiedenen Stellen: den erfolgreich abgeschlossenen und häufi g preisgekrönten Dissertationen und Habilitationen, dem mittlerweile 12. Habilitandenkolloquium, auf dem junge Kol- leginnen und Kollegen die Themen ihrer Qualifi kationsschriften vorstellen und diskutieren, sowie der Teilnahme am „Programme in European Private Law for Postgraduates“. Zusammen mit dem Netzwerk „Max Planck Law“ und der Max-Planck-Gesellschaft haben wir im Jahre 2023 erstmals auch Studierende und Promo- vierende aus dem In- und Ausland zu einem Barcamp eingeladen, das auf ein großes Echo stieß. Anders als klassische Konferenzen sind Barcamps von einem spontanen, selbstorganisierten Wis- sensaustausch getragen. § 285 Nr. 33 HGB verpfl ichtet den Ersteller des Jahresab- schlusses, im Anhang Vorgänge von besonderer Bedeutung anzugeben, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres einge- treten sind: Wir freuen uns riesig, dass Anne Röthel seit dem 1. Januar 2024 unser Direktorium komplettiert. Bilder und Berichte zu ihrer glanzvollen Antrittsvorlesung fi nden sich auf unserer Homepage. Holger Fleischer Geschäftsführender Direktor Hamburg, im Mai 2024 VORWORT 3

NACHWUCHSFÖRDERUNG 68 Habilitationen 69 Promotionen INTERNATIONALE NETZWERKE UND STIPENDIEN 74 Stipendienprogramme 76 Gastwissenschaftler*innen im Gespräch INSTITUTSBIBLIOTHEK 82 Service 83 Bibliotheksgäste 84 Etat und Erwerbungen WISSENSTRANSFER 90 Rechtsauskünfte 91 Impulse für die Praxis 92 Beratung für die Gesetzgebung 93 Wissenschaftskommunikation AUS DEM INSTITUT 98 Personalien 104 Interne Kommunikation 105 Gemeinsam helfen 106 Personalstatistik 107 Drittmittel 108 Impressum INHALT 5

INSTITUTSPROFIL Forschungsprogramm 2023 DIREKTOREN Holger Fleischer und Ralf Michaels Rechtsvergleichung, Aus- ländisches Privatrecht und globaler Rechtspluralismus FORSCHUNGSGRUPPE Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder, Nadjma Yassari E T E I B E G H C A S Grundlagen: Rechtsgeschichte, Rechtstheorie und Rechts- ökonomie Internationales Privat- und Verfahrensrecht Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Europäisches Privatrecht, Privatrechtsvereinheitlichung REGIONALE KOMPETENZZENTREN T H C E R S E H C S I D N Ä L S U A Afrika (z.Z. vakant) China & Korea Knut Benjamin Pißler Japan Ruth Effi nowicz Lateinamerika Denise Wiedemann Türkei Biset Sena Güneş KOMPETENZZENTRUM FÜR DIE ANWENDUNG AUSLÄNDISCHEN RECHTS Jan Peter Schmidt WISSENSCHAFTLICHER NACHWUCHS GÄSTE, FELLOWS UND STIPENDIAT*INNEN 7

Unsere Bibliothek deckt die Rechtsordnungen aller Staaten der Welt ab. 44 Gutachten zu 15 verschiedenen Rechtsordnungen INSTITUTSPROFIL Die Sammlung umfasst Medieneinheiten 548.970 19.587 6.130 E-Books E-Journals 74 DATENBANKEN 192 Publikationen unserer Wissenschaftler*innen 27 davon im Open Access 1926 1956 2026 1900 1950 2000 2050 Das Institut wurde 1926 unter Beteiligung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Berlin gegründet. Aufgrund der Kriegslage wurde es 1944 nach Tübingen evakuiert. Seit 1949 ist es Teil der Max-Planck- Gesellschaft und übersiedelte 1956 nach Hamburg. 2026 feiern wir unser 100-jähriges Bestehen. k c o t s r e t t u h s © n e k i f a r G r e g i n i e e t n e m e l E , g n i r e t e D a n n a h o J © k i f a r G 9

FORSCHUNG 1 2 26 RECHTSFORMNEUSCHÖPFUNGEN IM IN- UND AUSLÄNDISCHEN GESELLSCHAFTSRECHT ISLAMIC LAW IN SAUDI ARABIA: CONCEPTS, PRACTICES AND DEVELOPMENTS 1 4 2 8 DAS RECHT DER SOZIALUNTERNEHMEN: VERMESSUNG EINES NEUEN FORSCHUNGSFELDES RECHTSDURCHSETZUNG IN CHINA 3 0 1 7 FAMILY FIRMS AND FAMILY CONSTITUTION DIE ROLLE DES RECHTS BEI AN- ERKENNUNG UND SCHUTZ GLEICH- GESCHLECHTLICHER BEZIEHUNGEN IN JAPAN 1 8 3 2 KOLLEGIALORGANE IN KAPITALGESELL- SCHAFTEN SCHULDVERSCHREIBUNGSRECHT 3 4 2 0 NACHHALTIGES PRIVATRECHT: SACHRECHT UND KOLLISIONSRECHT THE ENGLISH LAW OF SUCCESSION IN HISTORICAL AND COMPARATIVE CONTEXT 22 36 HAMBURGER LEITLINIEN ZUR ERMITT- LUNG UND ANWENDUNG AUSLÄNDI- SCHEN RECHTS NEMO PRO PARTE TESTATUS PRO PAR- TE INTESTATUS DECEDERE POTEST 2 4 SUCCESSION IN ISLAMIC LAW

II. INHALTSÜBERSICHT Holger Fleischer (Max-Planck-Institut Hamburg): Einführung: Ein Rundflug über Rechtsformneuschöpfungen im in- und ausländischen Gesellschaftsrecht Holger Fleischer/Christian Kolb (Max-Planck-Institut Hamburg): § 1 Vereinigte Staaten: Limited Liability Company (LLC), Wyoming 1977 Holger Fleischer (Max-Planck-Institut Hamburg): § 14 Vereinigte Staaten: Benefit Corporation, Maryland 2010 Philipp Hülse/Holger Fleischer (Max-Planck-Institut Hamburg)/Chris Thomale (Universität Wien): § 15 Frankreich: Vom Entrepreneur Individuel à Responsabilité Limitée, 2010, zur Haftungsbeschränkung ex lege beim Entrepreneur Individuel, 2022 Yannick Chatard (Max-Planck-Institut Hamburg): § 2 Europäische Union: Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), 1985 Nikolaos Vervessos (Universität Athen): § 16 Griechenland: Private Kapitalgesellschaft (Idiotiki Kafalaiouchiki Etiaria [IKE]), 2014 Christian Stemberg (Max-Planck-Institut Hamburg): § 3 Vereinigte Staaten: Statutory Business Trust, Delaware 1988 Mathias Walch (Universität Innsbruck): § 17 Liechtenstein: Protected Cell Company (PCC) = Segmentierte Verbandsperson (SV), 2015 Stefan Korch (Universität Münster): § 4 Vereinigte Staaten: Limited Liability Partnership (LLP), Texas 1991 Peter Agstner (Universität Bozen): § 18 Italien: Società benefit, 2016 Anne-Marie Weber-Elżanowska (Universität Warschau): § 19 Polen: Vereinfachte Aktiengesellschaft (Prosta Spólka Akcyjna [sJSC]), 2021 Holger Fleischer/Yannick Chatard (Max-Planck-Institut Hamburg): § 20 Frankreich: Société à Mission, 2019 Holger Fleischer (Max-Planck-Institut Hamburg): § 21 Vereinigte Staaten: Decentralized Autonomous Organization LLC (DAO LLC), Wyoming 2021 Holger Fleischer/Matthias Pendl (Max-Planck-Institut Hamburg): § 22 Österreich: Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG), 2024 Holger Fleischer (Max-Planck-Institut Hamburg): Schluss: Auf dem internationalen Marktplatz der Rechtsform- ideen: Unterschiedliche Wege zur Ausgestaltung des Rechts- formenangebots im Gesellschaftsrecht Matthias Pendl (Max-Planck-Institut Hamburg): § 5 Österreich: Privatstiftung, 1993 Jennifer Trinks (Max-Planck-Institut Hamburg): § 6 Frankreich: Société par action simplifiée (SAS), 1994 Jan Lieder/Raphael Hilser ( Universität Freiburg): § 7 Deutschland: Partnerschaftsgesellschaft, 1995/2013 Caroline Lunemann (Max-Planck-Institut Hamburg): § 8 Vereinigtes Königreich: Limited Liability Partnership (LLP), 2000 Elke Heinrich-Pendl/Anton Rittmeister (Max-Planck-Institut Hamburg): § 9 Europäische Union: Societas Europaea (SE), 2004 Christian Kolb (Max-Planck-Institut Hamburg): § 10 Singapur: Singapore Business Trust, 2004 Harald Baum/Gen Goto (Max-Planck-Institut Hamburg/Univer- sität Tokio): § 11 Japan: Japanische LLP (yugen sekinin jigyo kumi’ai), 2005 Julia Tittel (Max-Planck-Institut Hamburg): § 12 Vereinigtes Königreich: Community Interest Company (CIC), 2005 Claas-Lennart Götz (Max-Planck-Institut Hamburg): § 13 Deutschland: Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), 2008 1 FORSCHUNG 13

1 FORSCHUNG 2. Sozialunternehmen in Europa und Deutschland 3. Sozialunternehmen auf einem Spektrum der Organisations- formen In Europa hat sich die Idee des sozialen Unternehmertums eben- falls durchgesetzt, allerdings mit einem etwas anderen Fokus: Nicht der einzelne Sozialunternehmer stand und steht hier im Mit- telpunkt, sondern das Sozialunternehmen als kollektives Gebilde. So entwickelten sich anfangs vor allem Vereine und Genossen- schaften, die unter der Sammelbezeichnung „Work Integration Social Enterprise“ zusammengefasst werden. Sie waren ein Kind der schweren Wirtschaftskrise gegen Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre, die in vielen europäischen Ländern zu hoher struktureller Arbeitslosigkeit führte. a) Italien als Vorreiter Sozialunternehmen sind zuerst auf italienischem Boden gediehen. Sie entstanden dort in den 1970er Jahren als eine Graswurzelbe- wegung in Reaktion auf gravierende Schwächen des staatlichen Wohlfahrtssystems. Als lockeres Organisationskleid diente ihnen seit den 1980er Jahren eine Art Genossenschaft, die erst durch ein Gesetz von 1991 eine festere Gestalt als „cooperativa sociale“ erhielt. Im Jahr 2005 führte der Gesetzgeber den rechtlichen Status „impresa sociale“ ein, um Sozialunternehmen auch andere Rechtsformen außerhalb des Genossenschaftssektors zur Verfü- gung zu stellen. 2017 ist der sog. Dritte Sektor durch ein Gesetzes- dekret neu geordnet worden. b) Deutschland als Nachzügler Hierzulande hat Social Entrepreneurship vergleichsweise spät Fuß gefasst, obwohl es durchaus historische Vorbilder gab. Hin- gewiesen sei namentlich auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einer der beiden Gründerväter des deutschen Genossenschaftswe- sens, der bereits Mitte des 19. Jahrhunderts genossenschaftliche Darlehenskassen gegründet, um mittellosen Landwirten Geld für Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen – ein Sozialunternehmer avant la lettre mit einem Modell, das ungeachtet seiner genossen- schaftlichen Einkleidung dem von Muhammad Yunus nicht unähn- lich war. Erst gegen Ende der 1990er Jahre fand Social Entrepre- neurship in Deutschland allmählich größere Resonanz, vor allem durch Akteure von außen, welche sich die Förderung von Sozial- unternehmen auf ihre Fahnen schrieben. Hierzu zählt namentlich Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums, der im Jahr 1999 zusammen mit seiner Frau Hilde die „Schwab Founda- tion for Social Entrepreneurship“ gründete, in gewisser Weise das deutsche Pendant zu Bill Draytons Ashoka. Mittlerweile gibt es Sozialunternehmen in allen Branchen. Eine grobe Schätzung geht von 2.000 bis 70.000 Sozialunternehmen aus, die meisten von ihnen noch in der Umsetzungs- und Wachstumsphase. Ein häufi g zitiertes Beispiel aus Hamburg bildet GoBanyo, eine Organisation, die einen Duschbus für Obdachlose betreibt, den sie mittels Crowdfunding fi nanzierte. Allerdings ist der unternehmerische Ansatz hier noch wenig entwickelt. Als Illustration besser geeignet ist daher womöglich Hinz und Kunzt, Deutschlands aufl agen- stärkstes und von Obdachlosen verkauftes Straßenmagazin. Als heuristisches Hilfsmittel für eine Verortung von Sozialunter- nehmen im Gesamtgefüge betriebswirtschaftlicher Organisa- tionsformen sind die Ansätze der sog. „spectrum school“ wertvoll. Danach lassen sich alle Organisationsformen auf einem Spektrum mit zwei Endpunkten abtragen: Das eine Ende markieren tradi- tionelle Non-Profi t-Organisationen, die eine hohe soziale Rendite abwerfen und sich ausschließlich durch Spenden fi nanzieren, das andere Ende klassische For-Profi t-Unternehmen, die allein nach einer hohen fi nanziellen Rendite streben. Im Mittelbereich sind ver- schiedene Mischformen mit einem „blended value“ angesiedelt: Non-Profi t-Unternehmen mit eigenen Einkünften, For-Profi t-Unter- nehmen mit CSR-Aktivitäten und schließlich – ganz zentral – Sozi- alunternehmen mit einer sozialen Mission, deren Einkünfte, wenn überhaupt, nur zu einem geringeren Teil an die Investoren ausge- schüttet und zu einem größeren Teil oder vollständig für soziale Zwecke reinvestiert werden (Abbildung entnommen aus Alter, Social Enterprise Typology, 2007, S. 14). Hybrid Spectrum Traditional Nonprofi t Nonprofi t with Income- Generating Activities Social Enterprise Socially Responsible Business Corporation Practicing Social Responsibility Traditional For-Profi t Mission Motive Stakeholder Accountability Income reinvested in social programs Profi t-making Motive Shareholder Accountability Profi t redistributed to shareholders or operational costs 4. Sozialunternehmen als „Vierter Sektor“ der Volkswirtschaft Nach einer verbreiteten Einteilung pfl egt man in einer Volkswirt- schaft drei Sektoren zu unterscheiden: den Staat (erster Sektor), die Privatwirtschaft (zweiter Sektor) und die Sozialwirtschaft (dritter Sektor). Zur letzteren rechnet man traditionell Stiftungen, gemeinnützige Vereine, gGmbHs und andere gemeinnützige Körperschaften, die man häufi g auch als Non-Profi t-Organisati- onen bezeichnet. Dieses klassische Drei-Sektoren-Modell könnte sich mit dem weiteren Aufstieg von Sozialunternehmen als zu eng erweisen: Ihnen wird man mit einer negativen Abgrenzung („Non- Profi t“) allein nicht mehr gerecht. Vielmehr folgen sie einer institu- tionellen Eigenlogik, die Gemeinwohlorientierung und Gewinnerzie- lung miteinander zu verbinden sucht. National und international spricht man deshalb immer häufi ger von einem im Entstehen begriffenen „Vierten Sektor“. 15

FAMILY FIRMS AND FAMILY CONSTITUTION Family constitutions in family-owned firms are becoming increasingly popular around the world. While some, though not much, research examining this trend has come from a management research perspective, legal scholarship of family constitutions is even scarcer. The first volume of this new series brings together chapters from the ‘Law and Management of Family’ conference which took place at the Max Planck Institute for Comparative and International Private Law, Hamburg, presenting legal, manage- rial, historical and comparative perspectives of family consti- tutions. Family Firms and Family Constitution delves deeply into topics as diverse as ownership, succession, governance, justice and more, all from a managerial and legal perspective from around the world. The pioneering Law and Management of Family Firms series publishes volumes following the annual Hamburg Conference Law and Management of Family Firms, the international and interdisciplinary forum for family business research. The con- ference is organized by the Max Planck Institute and the Insti- tute for Mittelstand and Family Firms (HSBA Hamburg School of Business Administration). It brings together two distinct and previously disconnected disciplines of law and management, benefiting scholars, lawyers, consultants, and family office practitioners. Holger Fleischer/Stefan Prigge (eds.). Family Firms and Family Constitution Emerald Publishing Limited, 267 pages Open Access Book Holger Fleischer ist seit 2009 Direktor am Institut und Affi liate Professor an der Bucerius Law School. Er forscht schwerpunkt- mäßig zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Handelsrecht einschließlich Bilanzrecht sowie in den Bereichen Rechtsöko- nomie, Rechtsvergleichung und Methodenlehre. 1 FORSCHUNG 17

der dogmatischen Analyse auch rechtshistorische Befunde und rechtspolitische Erwägungen fruchtbar gemacht sowie zahl- reiche empirische Einsichten, unter anderem aus dem Bereich der Sozialpsychologie, ausgewertet. So lässt sich etwa für die Geschlechterquote keine unumstößliche Evidenz für einen busi- ness case ausmachen, aber auch kein negativer Effekt auf die Unternehmensperformance belegen. Dessen ungeachtet streitet der moral case für die Richtigkeit des international ebenso wie vom deutschen Gesetzgeber eingeschlagenen Weges. Kapitel drei widmet sich Fragen der „Kooperation und Arbeits- teilung“ und damit zahlreichen Einzelfragen der internen Orga- nisation der Arbeit von Vorstand und Aufsichtsrat. Beispielhaft genannt seien etwa Zulässigkeit und Grenzen der Aufgaben- delegation im Management- und im Überwachungsorgan sowie der Vorsitzende im jeweiligen Kollegium, dessen in der Praxis oftmals anzutreffende faktische Vormachtstellung in einem veritablen Spannungsverhältnis zum Kollegialitätsgedanken steht. Dabei sorgen unter anderem rechtsvergleichende Seiten- blicke für wertvolle Impulse und Vergewisserungen in Hinblick auf nationale Lösungen. So stützt etwa das dem US-amerika- nischen Korporationsrecht immanente right to rely den Befund, dass das Vertrauensprinzip unter den Mitgliedern des Kollegial- organs den Grundsatz bilden und Misstrauen nur dann ange- bracht sein sollte, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein solches geboten erscheinen lassen. Ferner zeichnet sich in den Vereinigten Staaten deutlich eine Stärkung des kollegial organi- sierten board zu Lasten eines „allmächtigen“ CEO ab. Nicht nur deshalb empfi ehlt es sich auch hierzulande, einer faktischen Alleinherrschaft des Vorsitzenden entgegenzuwirken und der Funktionslogik des Kollegialprinzips entsprechend die Gleich- berechtigung und Gleichverpfl ichtung aller Organmitglieder hochzuhalten. Rechtliche Stellschrauben hierfür bilden etwa die Haftung bei Informationsmonopolisierung oder unzulässigem Hineinregieren in einzelne Vorstandsressorts. Das vierte Kapitel behandelt die „Kontrolle und Haftung“ von Organmitgliedern in Kollegialorganen. Nach einer Auffächerung des Pfl ichtenkanons überstimmter Organmitglieder wird der vieldiskutierten Frage nach der Bedeutung von Interessenkon- fl ikten für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule bei Kollegialentscheidungen nachgegangen. Es folgt eine ausführ- liche Auseinandersetzung mit der Kausalitätsproblematik bei überdeterminierten Gremienbeschlüssen, also pfl ichtwidrigen Mehrheitsbeschlüssen, die mit einer größeren als der erforderli- chen Stimmenmehrheit zustande gekommen sind, sodass nach der hergebrachten Conditio-sine-qua-non-Formel die Zustim- mung jedes einzelnen weggedacht werden könnte, ohne dass der schädigende Erfolg entfi ele. Unter Berücksichtigung nicht nur der zivil-, sondern auch der ausführlicheren strafrechtli- chen Literatur spricht sich Heinrich-Pendl schließlich dafür aus, die Wertungen des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB zur Lösung fruchtbar zu machen. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels widmet sich schließlich den historischen Grundlagen und den dogmatischen Feinheiten des Regresses unter Organmitgliedern, die der Gesell- schaft im Falle einer Pfl ichtverletzung als Gesamtschuldner haften. Insgesamt bergen kollegiale Organisationsstrukturen recht- liches Konfl iktpotential in den unterschiedlichsten Bereichen. Die positiven Aspekte des Kollegialprinzips wiegen die Anstren- gungen bei der Aufl ösung dieser spezifi schen Problemlagen jedoch ohne Weiteres auf. Denn nur eine kollegiale Organbe- setzung macht Kooperation im Sinne einer Arbeitsteilung und damit die Bewältigung der anfallenden Arbeitslast erst möglich. Gleiches gilt für Kontrolle. Steht ein monokratisches Organ an der Spitze der Kapitalgesellschaft ergeben sich unvermeidbare Kontrolldefi zite. So vermag eine Hierarchie von Einzelpersonen, die ausschließlich auf vertikale Überwachung angelegt ist, das Problem „who watches the watchers?“ nicht zu lösen, während kollegial organisierte Management- bzw. Aufsichtsorgane die so wichtige Intraorgankontrolle verwirklichen können. Rückhalt und Bestärkung erfährt dieser Befund durch die sozialpsycholo- gische (Klein-)Gruppenforschung. Sie macht deutlich, dass das vorhandene Potential einer Gruppe gerade bei den von Kollegial- organen typischerweise zu bewältigenden disjunktiven Aufgaben das Potential eines Individuums übersteigt. Ob und inwieweit in weiterer Folge voller Nutzen aus dem vorhandenen Poten- tial gezogen werden kann, ist vielmehr eine Frage der optimalen Organisation im Einzelfall als eine solche nach der generellen Vorzugswürdigkeit eines Kollegiums. Als Schlussakkord hält die Arbeit nach alldem mit einer freien Übersetzung der Einsichten von Julien Delvallée zur collégialité en droit des sociétés fest, was dieser nicht hätte treffender formulieren können: „Trotz des hohen Alters der Kollegialität fehlt es ihr nicht an Zukunftsper- spektiven.“ (Delvallé, La collégialité en droit des sociétés, 2017, S. 698: „Quoique très ancienne, la collégialité ne manque pas d’avenir.“) Elke Heinrich-Pendl forschte von 2013 bis 2023 am Institut. 2023 wurde sie von der Bucerius Law School habilitiert. Derzeit vertritt sie die Professur für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig. 1 FORSCHUNG 19

1 FORSCHUNG tisch-dogmatisch, sondern auch theoretisch bearbeiten wollen. Ein Beispiel ist die weitbeachtete Arbeit von Jan-Erik Schirmer, der ein „nachhaltiges Privatrecht“ vorschlägt, das öffentliche Wertungen wie diejenige der Nachhaltigkeit gewissermaßen in das Privatrecht hinein importieren soll. Die Methode ist insofern ähnlich der oben zum IPR beschriebenen Fokussierung auf regulatorische Funkti- onen, und dieser verengte Blickwinkel beschreibt auch die Unvoll- ständigkeit dieses Ansatzes. Für ein weitergehendes paradigmatisches Verständnis eines nach- haltigen Privatrechts entwickelt Michaels einen Ansatz, der 2023 in einem Vortrag am Collège de France vorgestellt wurde und 2024 in den Oxford Studies of Private Law Theory veröffentlicht wird. Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass das moderne Privat- recht, wie es sich im 19. Jahrhundert entwickelt hat, auf Gedanken von private ordering, indiviueller Freiheit und Wachstum beruht und damit auf Extraktion angewiesen ist, verstanden als Ausbeu- tung von Ressourcen einerseits sowie der Produktion von Abfall andererseits. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist das zwei- felhaft geworden. Häufi g werden Mängel des Privatrechts durch das öffentliche Recht (public ordering) behoben. Das funktioniert, so Michaels‘ These, hier aber nicht: Für das öffentliche Recht ist ebenso wie für Individuen die Natur „Umwelt“, und die planetari- schen Grenzen der Extraktion gelten hier genauso. Notwendig ist daher ein Umdenken des Privatrechts – von Freiheit auf Verantwor- tung und von Wachstum auf Stabilität. Das wird hier allgemein ent- wickelt. Eine konkrete Anwendung legte Michaels in seinem Vortrag „From Consumer Protection to Sustainer Protection“ beim Jahres- kongress der International Association of Consumer Law dar. NEUE ANSÄTZE Wenn die These stimmen soll, dass unser modernes, problema- tisch gewordenes Privatrechtsparadigma im 19. Jahrhundert ent- standen ist, dann ist es für die Herausbildung neuer Paradigmen nützlich, Vorangegangenes zu verstehen. Davon handelte die Montesquieu Lecture, die Michaels 2023 an der Universität Maastricht hielt und die zusammen mit vier Kommentaren anderer Wissenschaftler*innen in der Tilburg Law Review veröffentlicht wurde. Ausgangspunkt war Montesquieus Lehre von der Rechts- vergleichung in seinem „Esprit des Lois“, genauer die Rolle, die er klimatischen Unterschieden als Ursachen für Rechtsunterschiede zumaß. Michaels zeigt auf, wie sich der Gedanke eines Einfl usses des Klimas auf die Gesellschaft und damit das Recht seit der Antike bis ins 18. und 19. Jahrhundert fortsetzte, freilich nicht als strikter Determinismus, sondern als eine Form der Konditionierung. Erst nach Montesquieu wurden physische und psychische Welt strikt getrennt. Die Industrialisierung führte dazu, dass Menschen sich jedenfalls eine Zeitlang und jedenfalls im Globalen Norden als vom Klima unabhängig empfi nden konnten. Als Folge ging man davon aus, das Recht werde nur von der Gesellschaft, nicht aber vom Klima beeinfl usst. Die Klimakatastrophe macht nun deutlich, dass das ein Irrtum ist. Anstatt in Klimadeterminismus zu verfallen, schlägt Michaels vor, sich an Montesquieus Ontologie zu orien- tieren und, in Nachfolge von Bruno Latour, einen neuen „Esprit des Lois de la Nature“ zu entwickeln. Im weiteren Sinne gehört das im Tätigkeitsbericht 2022 vorge- stellte Thema der Rechte der Natur ebenfalls zu diesen Fragen der Nachhaltigkeit, auch wenn hier kein Fokus auf dem Privatrecht liegt. Zusammen mit Daniel Bonilla gab Michaels 2023 ein Sonder- heft der Zeitschrift Naturaleza y Sociedad heraus, in dem Rechte der Natur mit Kunst in Verbindung gebracht wurden. Die aus dieser Zusammenarbeit entstandenen zwei Generalberichte sowie diverse Länderberichte für die International Academy of Compara- tive Law sollen 2024 als Sammelband erscheinen. Daniel Bonilla Maldonado, Ralf Michaels (Hrsg.), Global Legal Pluralism and Rights of Nature, Intersentia, Cambridge, Antwerpen, Chicago (erscheint 2024) Ralf Michaels, Samuel Zeh, Sustainability and Private International Law, in Marta Santos Silva, Andrea Nicolussi, Christiane Wendehorst, Pablo Salvador Coderch, Marc Clément, Fryderyk Zoll (Hrsg.), Routledge Handbook on Private Law and Sustainability, London, New York (erscheint 2024) Ralf Michaels, Climate’s Empire in Comparative Law (Montesquieu Lecture 2023), 28 Tilburg Law Review 1-19 (2023) (mit Kommen- taren von Laura Mai, Max Baumgart, Sanita van Wyk, Tobias Arnol- dussen) Daniel Bonilla Maldonado, Ralf Michaels, Patricia Zalamea Fajardo (Hrsg.), Los derechos de la naturaleza: diálogos entre el derecho y las artes – Special Issue Naturaleza y Sociedad. Desafíos Medioambientales 4 (2022) (erschienen 2023) Ralf Michaels, Samuel Zeh, Sostenibi- lidad y derecho internacional privado, Revista de Direito da Universidade de Brasília vol. 7 no. 3 (2023) 37-67 Ralf Michaels ist seit 2019 Direktor am Institut. Zudem ist er Global Law Professor an der Queen Mary University of London und Profes- sor für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Er forscht schwerpunktmäßig über internationales Privatrecht, Rechtsverglei- chung, Privatrechtstheorie sowie Recht und Globalisierung. 21

Rollen und deren Zusammenspiel; die Folge sind unnötige Kosten und Verzögerungen. Zudem fällt es der Wissenschaft oft schwer, die hohe Nachfrage nach Gutachten zum ausländischen Recht zeitnah zu decken. Parteien), sich leicht innerhalb der Leitlinien zurechtzufi nden. Zudem werden die einzelnen Handlungsempfehlungen auf einer optisch abge setzten Ebene vielfach näher erläutert und durch Beispiele illustriert. Die ersten Reaktionen seitens Justiz und Wissenschaft auf die Hamburger Leitlinien waren sehr positiv. Ob die Empfehlun- gen in der Praxis tatsächlich berücksichtigt werden und den gewünschten Effekt erzielen, bleibt indes noch abzuwarten. Erfahrungsgemäß dauert es einige Zeit, bis sich Neuerungen in den Köpfen der Jurist*innen festsetzen. Die Autoren werden die mit den Hamburger Leitlinien gemachten Erfahrungen genau verfolgen und sie als Grundlage für eine künftige Weiterentwick- lung nehmen. Jan Peter Schmidt ist seit 2004 wissenschaftlicher Referent am Institut. Bis 2011 leitete er das Lateinamerikareferat und seit 2020 leitet er das Kompetenzzentrum für die Anwendung aus- ländischen Rechts. 2022 wurde er von der Universität Regens- burg habilitiert. Seine Forschungsschwerpunkte sind internatio- nales und vergleichendes Erbrecht, europäisches Vertragsrecht sowie Privatrecht in Lateinamerika. Solche Probleme boten Institutsdirektor Ralf Michaels und Jan Peter Schmidt, Leiter des Kompetenzzentrums für die An- wendung Ausländischen Rechts, Anlass, sich mit erfahrenen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen zusammenzutun und eine Art „best practices“ des Umgangs mit ausländischem Recht niederzuschreiben. Das Ergebnis sind die „Hamburger Leitlinien zur Ermittlung und An- wendung ausländischen Rechts in deutschen Verfahren“, die am 9. Oktober 2023 am Hanseatischen Oberlandesgericht vorgestellt wurden. Sie sind im Internet frei zugänglich (www.hhleitlinien.de), existieren aber auch als gedruckte Broschüre. Ein in Heft 1-2/2024 erschienener Aufsatz in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ stellt die Hamburger Leitlinien dem Fach- publikum detailliert vor. Mit den Hamburger Leitlinien werden im Wesentlichen zwei Zie- le verfolgt. Das erste lautet, allen Beteiligten Orientierung zu bie- ten und den Umgang mit ausländischem Recht rechtskonform, transparent und effi zient zu gestalten. Das zweite Hauptanliegen der Leitlinien besteht darin, gerade auch die Alternativen zum Beweismittel des Sachverständigengutachtens aufzuzeigen und Gerichte zu ermutigen, in einfach gelagerten Fällen das auslän- dische Recht selbst zu ermitteln (z.B. mit Hilfe von inzwischen reichhaltig vorhandener deutscher Literatur zum ausländischen Recht, Internetquellen sowie Übersetzungsprogrammen). Für Gerichte und Verfahrensparteien läge der Nutzen in einer Er- sparnis von Kosten und Zeit, für die wissenschaftlichen Institute in einer Verringerung der Gutachtenlast. Damit die Leitlinien diese Ziele in möglichst weitem Umfang erreichen können, wurde bei ihrer Formulierung großer Wert auf Nutzerfreundlichkeit gelegt. So ermöglicht die Gliederung nach den verschiedenen Adressaten (Gerichte, Sachverständige, 1 FORSCHUNG 23

1 FORSCHUNG 25 den Blick mit seiner Analyse von fast tausend Testaments- und Schenkungsurkunden als Zeugnis der Kreativität im Umgang mit dem Erbrecht. Rechtssysteme im Ägypten des 19. und 20. Jahrhunderts Fragen des Erbrechts und der Übertragung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit freigelassenen Sklav*innen behandelten. Insgesamt bot die Konferenz sowohl den Panelist*innen als auch den Teilnehmer*innen eine wertvolle Gelegenheit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen auszutauschen und neue Perspektiven auf die Rolle des Erbrechts in muslimischen Gemeinschaften in Vergan- genheit, Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Die Panelbeiträge werden 2024 in verschiedenen Zeitschriften ver- öffentlicht, unter anderem als Special Issue im Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law (https://brill.com/view/journals/yimo/ yimo-overview.xml) sowie als Einzelbeitrag in der RabelsZ. Nadjma Yassari leitet seit 2009 die Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ am Institut. 2016 wurde sie von der Universität Hamburg habilitiert. Ihre Forschungsschwer- punkte sind internationales und nationales Privatrecht islami- scher Länder, insbesondere im Nahen und Mittleren Osten sowie im Iran und Afghanistan. Das vierte Panel, „The Role of Waqf in Succession Law“, leitete Dominik Krell, wissenschaftlicher Referent der Forschungsgruppe. Im Mittelpunkt stand die Rolle von Familienstiftungen (waqf) im Kontext verschiedener familiärer Strukturen unter Berücksichti- gung von Geschlechterdynamiken und wirtschaftlichen Interessen. Abdulla Niruvan Chalil (Jamia Millia Islamia University India) argu- mentierte, dass Stiftungen in matrilinearen Familien in Südindien eingesetzt werden, um das bestehende Verwandtschaftssystem aufrechtzuerhalten und sich gegen kolonial sanktionierte private Eigentumsrechte zu wehren. Necmettin Kızılkaya (Istanbul Uni- versity) und Muhammad al-Marakeby (Indonesian International Islamic University) boten kontrastierende Perspektiven auf die Debatten muslimischer Rechtsgelehrter über den Familien-Waqf: Während Kızılkaya zeigte, wie osmanische Gelehrte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts den waqf instrumentalisierten, um Frauen zu enterben, schilderte al-Marakeby, wie malikitische Gelehrte ausschließlich Männern zugedachte Familienstiftungen für unwirksam erklärten, um die Erbrechte von Frauen zu schützen. Schließlich analysierte Eirik Hovden (University of Bergen), wie der Familien-Waqf in zaiditischen fi qh-Texten in Bezug auf die Zuläs- sigkeit eines Vermächtnisses an Erb*innen diskutiert wurde. Das fünfte Panel, „The Encounter of Various Normative Systems: a Historical Perspective“, moderiert von Shéhérazade Elyazidi, wissenschaft- liche Assistentin der Forschungsgruppe, befasste sich mit der Frage, wie Kolonial- herrschaft das islamische Erbrecht in der Praxis der Gerichte geprägt hat. Dilyara Agisheva (Harvard Law School) verglich die Gerichtspraxis auf der Krim im 18. und 19. Jahrhundert vor und nach der russi- schen Herrschaft mit Fokus auf das Erb- recht von Frauen. Ari Schriber (University of Toronto) erörterte, wie sich koloniale Vorstellungen von religiösem Recht auf die Rechtsprechung zum Erbrecht von Muslim*innen im kolonialen Marokko des frühen 20. Jahrhunderts auswirkten. Samy Ayoub (University of Texas at Aus- tin) legte schließlich dar, wie islamische

als ḥirāba zu klassifi zieren, sodass saudische Richter heute auf dieses Delikt die Todesstrafe anwenden. Die dritte Fallstudie zeigt, wie saudische Gelehrte Frauen das Recht zugestanden haben, sich gegen den Willen ihrer Männer scheiden zu lassen. Damit sind die Gelehrten von dem Grundprinzip des islamischen Familienrechts abgewichen, wonach Frauen nur dann die Schei- dung einreichen können, wenn sie durch die Ehe einen Schaden erleiden oder der Ehemann der Scheidung zustimmt. Indem die saudischen Gelehrten den Frauen ermöglichten, die Scheidung einseitig zu erlangen, interpretierten sie das islamische Famili- enrecht in ähnlicher Weise neu wie spätere staatlich gesteuerte Reformen in Ägypten und Jordanien. Durch ihre starke Präsenz im Internet und in klassischen Medien der islamischen Welt haben sich die saudischen Gelehrten als die führenden Vertreter der islamischen Orthodoxie etabliert. Ihr Denken dominiert heute Diskurse über das islamische Recht innerhalb und außerhalb der arabischen Welt. Durch die Unter- suchung des Rechtsverständnisses saudischer Gelehrter füllt die Arbeit daher nicht nur eine wichtige Lücke in der Erfor- schung Saudi-Arabiens, sondern trägt auch zu einem besseren Verständnis des islamischen Rechts der Gegenwart bei. Dominik Krell war von 2016 bis 2023 am Institut tätig und wurde 2021 von der Universität Hamburg promoviert. Seit Mai 2023 ist er Leverhulme Early Career Fellow an der Universität Oxford. passt werden könne. In den letzten Jahren hat sich die Position der Rechtsgelehrten jedoch verändert, vor allem durch die lauter werdende Kritik an der Intransparenz und Uneinheitlichkeit der Gerichtsentscheidungen. Eine jüngere Generation saudischer Gelehrter sieht zunehmend die Notwendigkeit einer Kodifi zie- rung des islamischen Rechts. Die Dissertation zeigt, dass führende saudische Gelehrte und das Justizministerium Mechanismen zur Vereinheitlichung der Gerichtsentscheidungen entwickelt haben, die einer Kodifi ka- tion funktional ähneln. Die Juristen erweiterten das vormoderne Konzept der „herrschenden Gerichtspraxis“ (ma jarā ʿalayhi al-ʿamal) und bauten es zu einem De-facto-Präzedenzsystem aus. Die „herrschende Gerichtspraxis“ wird durch die Berufungs- gerichte durchgesetzt, welche in den letzten Jahrzehnten erheb- lich ausgebaut wurden und lässt heute nur noch wenig Raum für eine individuelle Auslegung des islamischen Rechts durch die Richter. Die Rechtsprechung wird dadurch zunehmend zentralisiert. Anhand dreier Fallstudien wird anschließend dargestellt, wie sich die theoretischen Debatten der Juristen in der saudischen Gerichtspraxis auswirken. Die erste Fallstudie zum Sorgerecht für Kinder zeigt, dass die hanbalitische Schule zwar nach wie vor eine wichtige Rolle in den Entscheidungen der Richter spielt, die saudischen Richter jedoch Meinungen aus allen Schulen der islamischen Rechtswissenschaft anwenden. Darüber hinaus veranschaulicht die Fallstudie, wie die Kritik an der Autorität der Rechtsschulen es den saudischen Richtern ermöglicht, von etablierten Lehren der islamischen Rechtswissenschaft abzu- weichen. Dies hilft ihnen, das Sorgerecht an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen. Zwei weitere Fallstudien geben Aufschluss darüber, wie es im heutigen Saudi-Arabien zu Veränderungen im islamischen Recht kommt. Während Rechtsreformen im Nahen Osten oft mit dem Staat in Verbindung gebracht werden, zeigen die Fallstudien, dass grundlegende Veränderungen im islamischen Recht auch ohne staatliche Einmischung stattfi nden können. In einer Fall- studie wird untersucht, wie saudische Gelehrte das Konzept des koranischen Straftatbestands der ḥirāba, der üblicherweise als Raubmord verstanden wird, ausgeweitet haben. Ab den 1980er Jahren begannen die Rechtsgelehrten, auch Drogenschmuggel 1 FORSCHUNG 27

1 FORSCHUNG INTERNATIONALE URTEILSANERKENNUNG UND -VOLLSTRECKBARKEIT Im Hinblick auf die Vollstreckung chinesischer Urteile außer- halb Chinas hat die Revision 2023 zu Neuerungen geführt, die bewirken könnten, dass Entscheidungen ausländischer Gerichte häufi ger unter Berufung auf eine fehlerhafte Zustellung oder eine fehlende Verbindung des ausländischen Gerichts mit dem Streitfall für nicht anerkennungs- und vollstreckungsfähig erklärt werden. Beruft sich ein chinesischer Vollstreckungs- schuldner darauf, dass im Verfahren vor dem ausländischen Gericht ein Prozessbetrug stattgefunden habe, könnte dies nach dem revidierten Prozessrecht im Einzelfall zu einer révision au fond führen, also zur Nachprüfung der anzuerkennenden Ent- scheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, die im chinesischen Anerkennungsrecht bislang gerade nicht stattge- funden hat. Die Motive des chinesischen Gesetzgebers für diese Änderungen sind durchaus widersprüchlich: Einerseits möchte er erreichen, dass chinesische Urteile durch die Annahme eines Gegenseitigkeitsverhältnisses vom ausländischen Gericht für vollstreckbar erklärt werden. Andererseits will er die Aufsicht chinesischer Gerichte über ausländische Entscheidungen im Anerkennungsverfahren nicht aus der Hand geben. Hier wird man auch die zukünftige Entwicklung in Deutschland und Europa aufmerksam verfolgen müssen, wo die Diskussion darüber, ob im Verhältnis zur Volksrepublik China von einer Gegenseitigkeit auszugehen ist, bereits längere Zeit andauert. INTERNATIONALE ZUSTELLBARKEIT UND BEWEISAUFNAHME Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der chinesische Gesetzgeber im Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen vor chinesischen Gerichten völkerrechtliche Grundprinzipien, wie die Souveränität von Staaten oder den Territorialitätsgrundsatz hochhält, indem er den Nichtanerkennungsgrund einer fehlerhaften Zustellung durch das ausländische Gericht an chinesische Beklagte erheb- lich ausgeweitet hat. Geht es darum, Prozessurkunden an Prozessbeteiligte mit (Wohn-)Sitz außerhalb Chinas zuzustellen oder Beweise im Ausland zu erheben, scheint China hingegen bereit zu sein, die betreffenden Regelungen in den Haager Über- einkommen über die Zustellung im Ausland (1965) und über die Beweisaufnahme im Ausland (1970) aushebeln zu wollen, die diese völkerrechtlichen Grundprinzipien refl ektieren. Denn hier ist nun nach dem revidierten Zivilprozessgesetz mit dem Ein- verständnis der Parteien eine Zustellung oder Beweiserhebung über Sofortnachrichtendienste wie QQ oder WeChat zulässig. Ob dieser erneute Beleg der Technikaffi nität des chinesischen Gesetzgebers international positiv aufgenommen wird, ist durchaus zweifelhaft. Es ist denkbar, dass chinesische Kläger oder Gerichte versuchen werden, ausländische Beklagte, etwa mit einem Hinweis auf die Zeit- und Kostenersparnis, zu über- zeugen, ihr Einverständnis für die Verwendung dieser Formen der Kommunikation zu erteilen. Aus deutscher Sicht wäre eine solche Beweiserhebung freilich auch mit Einverständnis der Parteien wegen eines Verstoßes gegen die genannten Grund- prinzipien in Deutschland unzulässig. Das revidierte Zivilprozessgesetz der Volksrepublik China ist vom Leiter des Kompetenzzentrums bereits ins Deutsche über- setzt worden und wurde mit Anmerkungen zu den geänderten Vorschriften (in den Paragrafenüberschriften und den Fuß- noten der Übersetzung) bereits veröffentlicht. Ein ausführlicher Beitrag, in dem neben den Änderungen, die das Verfahren mit Auslandsbezug betreffen, auch die neuen Regelungen im Ver- fahren ohne Auslandsbezug besprochen und einer Bewertung unterzogen werden, ist 2024 in der Zeitschrift für Chinesisches Recht erschienen. Knut Benjamin Pißler übernahm 2002 das China-Referat, das er zum Kompetenzzentrum China und Korea ausbaute. 2013 wurde er von der Universität Göttingen habilitiert. Im Oktober 2023 wurde er für zwei Jahre in das Amt des Deutschen Vizedirektors des Deutsch-Chinesischen Instituts für Rechtswissenschaften in Nanjing berufen und ist daher bis 2025 im Sabbatical. Knut Benjamin Pißler, Die Revision des chinesischen Zivilprozess- gesetzes 2021: Entlastung der Justiz und Beschleunigung des Verfahrens, Zeitschrift für Chinesisches Recht 2022, 27–31 Knut Benjamin Pißler, Die Revision des chinesischen Zivilprozessge- setzes 2023: Einseitige Wahrung völkerrechtlicher Grundprinzipien, Zeitschrift für Chinesisches Recht 2024, 17–33 Knut Benjamin Pißler (Hrsg.), Handbuch des chinesischen Zivilprozessrechts, Mohr Siebeck, Tübingen 2018 29

IM AUSLAND GESCHLOSSENE EHEN Um ihre Verbindung dennoch mit (sichtbarer) rechtlicher Ver- bindlichkeit auszustatten, gehen manche gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe im Ausland ein. Für den Alltag in Japan bleibt dies jedoch ein symbolischer Akt, da das japanische Internatio- nale Privatrecht nach herrschender Ansicht für die Ermittlung des auf die Wirksamkeit einer solchen Verbindung anzuwen- denden Rechts an die Staatsbürgerschaft anknüpft und mithin für gleichgeschlechtliche (gemischt-)japanische Paare keine Ehe zulässt. Für ausländische Paare stellt sich die Situation anders dar: Auf Grund der Anknüpfung an das Recht der Staatsbürger- schaft kann auch nach japanischem Recht eine wirksame geschlossene Ehe vorliegen. Ihrer Wirksamkeit in Japan könnte dann nur der japanische ordre public entgegenstehen. Ob eine im Ausland von einem gleichgeschlechtlichen Paar geschlos- sene Ehe aus Sicht eines japanischen Gerichts aber tatsäch- lich gegen diesen verstößt, ist gerade vor dem Hintergrund der eben erwähnten Urteile und mehr noch der sogleich zu behan- delnden, nicht rechtlich verbindlichen Anerkennung der Bezie- hungen durch eine wachsende Vielzahl von Präfekturen und Kommunen offen. ALTERNATIVE WEGE DES RECHTLICHEN SCHUTZES UND DER GESELLSCHAFTLICHEN ANERKENNUNG Angesichts der bestehenden Rechtslage haben Betroffene eine Reihe von alternativen Wegen entwickelt, um die eigene Lebensrealität zu schützen bzw. den eigenen Lebensweg zu gestalten. Optionen sind eine Adoption, privatrechtliche Verträge, Testa- mente, freiwillige Betreuungsvereinbarungen oder die Rechts- figur der De-facto-Ehe. Keine dieser Möglichkeiten gewährt jedoch dieselben Wirkungen wie eine Ehe und häufig bleiben Paare zudem auf das Wohlwollen der Gesellschaft und/oder Gerichte und Behörden angewiesen, dass diese den gewählten Weg akzeptieren beziehungsweise rechtlich anerkennen. Schließlich besteht in immer mehr Präfekturen und Kommunen die (rechtlich unverbindliche) Möglichkeit, die eigene Beziehung lokal registrieren zu lassen und so in den Genuss gesellschaft- licher Anerkennung zu kommen. Damit sollen auch bestimmte Situationen wie Besuche bei Krankenhausaufenthalten verein- facht werden. Für manche dieser Systeme war auch das deut- sche Hamburger Modell Inspiration. Mittlerweile stehen solche Systeme der großen Mehrheit der japanischen Bevölkerung zur Verfügung. Diese und andere gesellschaft- lichen Aushandlungsprozesse werden aus rechtlicher Sicht regelmäßig von der Zeitschrift für Japanisches Recht (ZJapanR) begleitet. Die Leiterin des Kom- petenzzentrums hat zu ihnen dort und an anderer Stelle publi- ziert und vorgetragen. Ruth Effi nowicz leitet seit 2020 das Kompetenzzentrum Japan und ist verantwortliche Schriftleiterin der vom Institut gemeinsam mit der Deutsch-Japanischen Juristenvereinigung herausgegebenen Zeitschrift für Japanisches Recht. 2021 wurde sie von der Universität zu Köln promoviert. 1 FORSCHUNG 31

Ein 7. Teil befasst sich mit dem Internationalen Privatrecht und den Auslandsanleihen. Wegen der hohen Internationalität von Anleiheemissionen haben die Regeln des Internationalen Privat- rechts eine außerordentlich große Bedeutung (Kap. 15). Für den internationalen Anleihemarkt sind vor allem das Recht der USA und des Staates New York von Bedeutung, und zwar (i) als auf die Anleihe anwendbares Recht (insbesondere für Hochzinsanleihen, High Yield Bonds), (ii) für die Vermarktung von Anleihen in den USA zu berücksichtigendes Kapitalmarktrecht und (iii) schließ- lich als rechtsvergleichende Inspirationsquelle (Kap. 16; englisch- sprachig). 3. Das Buch beinhaltet schließlich auf knapp 100 Seiten eine Sammlung von Vertrags- mustern mit Erläuterungen zu fünf Kom- plexen: Hauptversammlungsbeschluss, Organbeschlüsse des Emittenten, Anleihe- bedingungen, Garantieerklärung der Mutter- gesellschaft und Subscription Agreement/ Übernahmevertrag. Diese Vertragsmuster sind von der Praxis für die Praxis geschrieben und in dieser oder ähnlicher Form bereits vielfach verwendet worden. Klaus J. Hopt, Christoph H. Seibt (Hrsg.), Schuldverschreibungsrecht, Kommentar – Handbuch – Vertragsmuster, 2. neu bearbei- tete und erweiterte Aufl age, Otto Schmidt, Köln 2023, 2274 S. Klaus J. Hopt ist Direktor emeritus am Institut. Seine Forschungsschwerpunkte sind deutsches und europäisches Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Handels-, Bank- und Wirtschafts- recht. Das Besondere an diesem Buch, das sich bei den zahlreichen anderen Kommentaren und Handbüchern zum Schuldverschrei- bungsrecht so nicht fi ndet, ist, wie der Untertitel ausweist, die Kombination von drei Genres. Es ist zugleich ein Großkommentar, ein Praxishandbuch und eine Sammlung der wichtigsten einschlä- gigen Vertragsmuster. 1. Nach einer kurzen Einführung der beiden Herausgeber behan- delt der Kommentarteil in vier Unterteilen ausführlich das Schuld- verschreibungsrecht (SchVG), § 221 AktG, das Bundesschulden- wesengesetz (BSchuWG) und – ganz neu – das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG). Mit Aus- nahme des BSchuWG sind alle drei Gesetze einleitend sowohl in deutscher als auch in englischer Fassung wiedergegeben. Mit ins- gesamt fast 1.400 Seiten liegt hier der klare Schwerpunkt des Buchs. Auf die letztere Kommentierung ist besonders hinzuweisen. Das eWpG stammt vom 3. Juni 2021 und ist mit rund 150 Seiten ausführlich berück- sichtigt. 2. Das SchVG 2009 begnügt sich im Wesent- lichen damit, die vorinsolvenzrechtliche Sanierung zu ermöglichen, ohne dabei den Gläubigerschutz zu kurz kommen zu lassen. Die Kautelarpraxis zu den Schuldverschrei- bungen und Genussrechten geht darüber jedoch weit hinaus und ist deshalb in diesem Großkommentar als Handbuch für die Kaute- larpraxis nachgewiesen und in drei weiteren Unterteilen kommentiert. Hier liegt der zweite Schwerpunkt des Buchs mit rund 750 Seiten. Zum einen sollen in Teil 5 die Schuldverschreibungen und Genussrechte so, wie sie am Markt vorkommen und Regelungen außerhalb des SchVG, BSchuWG und AktG Rechnung tragen müssen, handbuchartig dargestellt werden (Kap. 1-11). Dazu gehören unter anderem Green/Sustainable Bonds (Kap. 2, ganz neu), die Anleihestrukturen und Verfahrensabläufe, die Anleihebe- dingungen, das Recht der Prospekte und die Börsenzulassung, die Rechnungslegung, das Rating und die Anleihebewertung. Zum anderen wird die Restrukturierung von Schuldverschrei- bungen im Handbuch dargestellt, soweit sie nicht auf dem SchVG beruht (Teil 6, Kap. 12-14). Das sind zum einen die außerinsol- venzrechtlichen Restrukturierungen ohne Nutzung des SchVG, und zwar nach deutschem und gegebenenfalls – nach entspre- chenden Strukturierungen – auch ausländischem Recht, insbesondere durch Nutzung von schemes of arrangement nach englischem. Zum anderen ist es die Restrukturierung im Insol- venz- und Insolvenzplanverfahren, wozu § 19 SchVG den Vorrang der InsO vorsieht. 1 FORSCHUNG 33

In view of the spiritual character of the will, to die instate meant endangering the salvation of the soul and was, therefore, regarded as ‘disgraceful’ by many (except in cases of an unfo- reseeable, sudden death). Nonetheless, intestacies were pro- bably by no means uncommon. Once again, the question arose who was to be responsible for administering the estate; and once again, it was the Church that felt compelled to help out. Since in cases where the will did not contain the appointment of an exe- cutor (or where the executor appointed by the testator prede- ceased him or declined to take on that offi ce) the Church installed an administrator, it was quite natural that it also took charge of cases where a will had not been made. That is, in fact, what happened, and it was done ‘for the good of [the deceased’s] soul in order that he would not suffer for his negligence or misfortune’. It can therefore be said that the Church became comprehensi- vely responsible for the administration of the deceased’s personal property. The person appointed by the Church offi cial was called ‘administrator’ and came to be equated with the executor, ie the estate administrator in terms of a will made by the testator. We are, therefore, dealing here with the second manifestation of what came to be termed ‘personal representative’. Even in Sir William Blackstone’s Commentaries from 1765 – 1769, the rules on succession did not constitute a coherent whole. Blackstone still regarded succession as part and parcel of the law of property, and dealt with it in his discussion of real property on the one hand, and of personal property on the other. The modern law of succession eventually emerged as the result of fi ve sta- tutes enacted between 1837 and 1938. The reform era started with the Wills Act 1837 which provided for a uniform form requi- rement for wills concerning real property and personal property: the witnessed will in its written variant which has dominated the law of succession in England ever since. Another important step was taken in 1857: the ecclesiastical courts transferred to the newly created Court of Probate whatever competences relating to wills and intestacies had remained with them. The Land Transfer Act 1897 determined that the deceased’s real property no longer directly vested in the heir or testamentary devisee but, like his personal property, in the personal representative (who thus, ever since, has been and still is not just a ‘personal’ but also a ‘real’ representative). But it was only with the Administration of Estates Act 1925 that the distinction between real property and personal property concerning the law of succession was completely over- come. In particular, a uniform intestate succession order was established which followed in only slightly modifi ed form the rules that had previously applied to personal property. Part III of the Act deals with the administration of the estate by the personal repre- sentative; also in that regard the regime concerning real property was aligned to that applicable to personal property. The rules on estate administration, as codifi ed in 1925, bore witness to the steady process of ‘deformalization’ that had occurred in previous centuries. Thus, in particular, the mandatory requirement of accounting, originally established by the Church, had already been abolished by the end of the 17th century, and the drawing up of an inventory also lost its mandatory character. And while it is true that an administrator is installed by a court and thus derives his authority from the ‘letters of administration’, and that an executor also often applies for a ‘grant of probate’, per- sonal representatives in both forms are ‘left to their own devices’. Like the civilian heir, they do not act under a ‘preventive’ supervi- sion of the probate court. Estate administration in England, like in France, and Germany, and most of the other civilian systems discussed above, but unlike in Austria, can thus today be said to be of a basically private, rather than governmental, nature. The great reform era was concluded with the Inheritance (Family Provision) Act 1938 which, following the example of New Zealand, put in place an essentially needs-based system of mandatory family protection, rather than one focusing on a fi xed quota of the estate, as in France (forced heirship) or Austria/Germany (com- pulsory portion). That was almost exactly one hundred years after the Wills Act 1837 had started the process of reform. In the course of it, the summa divisio between real property and per- sonal property had receded into the background, and the concept of the ‘law of succession’ constituting a distinctive body of law had emerged. That is refl ected in the textbook literature from about the middle of the 19th century onwards which came to be devoted to the law of succession in general, with the distinction between ‘wills’ and ‘intestacy’ being given priority. All in all, with the rules for real property having, essentially, been assimilated to those for personal property, the ecclesiastical her- itage can be said to have carried the day in England. Or, to put it differently: the English law of succession can be regarded as an essenti- ally civilian system. Reinhard Zimmermann, Das englische Erbrecht als Ausprägung europäischer Rechtskultur: Eine Entwicklungsgeschichte, ZEuP 31 (2023), 290 – 325 Reinhard Zimmermann, Jan Peter Schmidt, Administration of Estates in Historical and Comparative Perspective, in: Kenneth Reid, Jan Peter Schmidt, Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Comparative Succession Law IV: Administration of Estates, in Vorbereitung für 2024 Reinhard Zimmermann ist Direktor emeritus am Institut und Affi liate Professor an der Bucerius Law School. Seine Forschungsschwerpunkte sind Schuldrecht und Erbrecht in historischer und vergleichender Perspektive, Beziehungen zwischen dem englischen common law und dem kontinental- europäischen civil law, Mischrechtsordnungen sowie euro- päische Privatrechtsvereinheitlichung. 1 FORSCHUNG 35

Die Arbeit schließt mit der Feststellung, das Nemo-pro-parte- Prinzip habe bei all seiner Strenge jedenfalls die systemati- schen Unklarheiten und mitunter schwer vorhersehbaren Ein- zelfallentscheidungen vermieden, die das heutige deutsche Recht prägen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass das Nemo- pro-parte-Prinzip in vielen Fällen durchaus nicht im Wider- spruch zum mutmaßlichen Erblasserwillen stehen dürfte, erweist sich die in der jüngeren Literatur häufig an dem Prinzip geäußerte Kritik in ihrer Pauschalität als schwer haltbar. Dirk Erdelkamp war von 2019 bis 2023 wissenschaftlicher As- sistent am Institut. 2023 wurde er von der Bucerius Law School promoviert. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Rezeptionsgeschichte des Nemo-pro-parte-Prinzips: Das dritte Kapitel widmet sich der Rezeption des Prinzips im gemeinen Recht bis hin zu den neuzeitlichen Kodifikationen. Nach einer Auseinandersetzung mit Quellen aus den verschiedenen Rechtsordnungen und Epochen betrachtet Erdelkamp die Fallgruppen, in denen im gemeinen Recht – über die im römischen Recht anerkannten Ausnahmen hinaus – eine Nichtgeltung des Nemo-pro-parte- Prinzips diskutiert wurde. Wie bereits bei den für das römi- sche Recht diskutierten Fallgruppen zeigt sich auch hier, dass der Anwendungsbereich des Nemo-pro-parte-Prinzips nach dem von Erdelkamp vertretenen Verständnis teilweise tatsäch- lich nicht berührt ist. Schließlich wird der über Jahrhunderte hinweg lebhaft geführte Streit über die Abdingbarkeit des Prin- zips beleuchtet. Das vierte Kapitel setzt sich mit den zahlreichen Theorien aus- einander, die im Laufe dieser Zeit zur Begründung des Prin- zips entwickelt worden sind. Hierbei erweist sich, dass sich für einige Begründungsansätze durchaus plausible Argumente ins Feld führen lassen, wobei nach Auffassung von Erdel- kamp jedoch kein Ansatz restlos überzeugen kann. Erdelkamp kommt zu dem – ernüchternden – Schluss, die überaus dünne Quellenlage aus römischer Zeit lasse eine zuverlässige Beant- wortung der Frage, weshalb das Nemo-pro-parte-Prinzip über so lange Zeit ein fester Bestandteil des römischen Erbrechts war, schlechthin nicht zu. Im fünften und letzten Kapitel schließlich stellt Erdelkamp das Nemo-pro-parte-Prinzip dem heutigen deutschen Erb- recht gegenüber. Insbesondere werden die in Betracht kom- menden Fallgruppen anhand der verfügbaren Rechtspre- chung beleuchtet und die Ergebnisse mit einer Anwendung des Nemo-pro-parte-Prinzips kontrastiert. Hierbei erweist sich, dass die Behauptung, das Prinzip führe zu unbilligen und mit dem Erblasserwillen in Widerspruch stehenden Ergebnissen, sich auch aus heutiger Perspektive in dieser Absolutheit nicht aufrechterhalten lässt. 1 FORSCHUNG 37

VERANSTALTUNGEN 4 0 4 4 VORTRÄGE, KONFERENZEN UND SYMPOSIEN 4 3 INTERNE VERANSTALTUNGEN LEHRVERANSTALTUNGEN 4 8 VERANSTALTUNGSBERICHTE

2 VERANSTALTUNGEN PhD Seminar Max Planck Institute and Radboud University Nijmegen, Workshop 26.06.2023 (Nijmegen, Niederlande) Launch der “Hamburger Leitlinien zur Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Verfahren“ 09.10.2023 (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg) (S. 91) Oxford Studies in Private Law Theory, Workshop 30.06.–01.07.2023 Decolonial Comparative Law Summer School 04.–08.07.2023 (S. 50) Principles of Reinsurance Contract Law, Workshop 12.–14.07.2023 The Implementation of the Chinese Civil Code through Judicial Interpretations of the Supreme People's Court, Erstes Deutsch-Chinesisches Symposium 25.–26.07.2023 The Many Goals of the Family Firm, Sixth Hamburg Conference: Law and Management of Family Firms, Konferenz 14.–15.09.2023 (S. 54) Evolving Corporate Governance in Europe, Deutsch-Niederländisch-Belgisches Symposium 12.–13.10.2023 (Nijmegen, Niederlande) (S. 49) Programme in European Private Law for Postgraduates (PEPP) 01.11.2023 (S. 56) #FUTUREOFLAW Barcamp 02.11.2023 (S. 57) Virtual Book Launch – The Elgar Companion to UNCITRAL (Edward Elgar Publishing, 2023) 14.12.2023 41

INTERNE VERANSTALTUNGEN 2 VERANSTALTUNGEN Aktuelle Stunde Im Rahmen dieses wöchentlich stattfi ndenden Workshops, zu dem Reinhard Zimmermann einlädt, werden Fragen des mate- riellen Zivilrechts, der Rechtsgeschichte und des Privatrechtsver- gleichs vorgestellt und diskutiert. Conflicts Club Bei dieser wöchentlich stattfindenden Veranstaltung (ehemals IPR-Treffen) stellen Mitarbeiter*innen und Gäste des Instituts ihre Arbeit zu aktuellen Forschungsfragen und Entwicklungen im IPR zur Diskussion. Konzil Etwa alle sechs Wochen präsentieren Doktorand*innen und Postdocs ihre Forschung im Konzil, das einen Eckpfeiler der wissenschaftlichen Kommunikation im Institut bildet. 43

2 VERANSTALTUNGEN Weitere Lehrveranstaltungen der Mitarbeiter*innen Holger Fleischer – Gesellschaftsrechts-Geschichte und Gesellschaftsrechts- Geschichten, Vorlesung, Bucerius Law School, Hamburg, Frühjahrstrimester 2023. Elke Heinrich-Pendl – Schuldrecht II (Leistungsstörungen, Kauf- und Werkver- trag), Vorlesung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Wintersemester 2022/23. – Europäisches Gesellschaftsrecht, Vorlesung, Bucerius Law – Schuldrecht I AT, Vorlesung, Johannes Gutenberg-Univer- School, Hamburg, Herbsttrimester 2023. sität Mainz, Wintersemester 2022/23. Claas-Lennart Götz – BGB AT, zwei Kleingruppen im Examensvorbereitungspro- gramm, Bucerius Law School, Hamburg, 05.09.2023. Mateusz Grochowski – 30431 Law – Module 2 (Private Law), Seminar, Università Commerciale Luigi Bocconi, Mailand, Sommersemester 2023. – European Private Law and Digital Market – Einzelansicht, Vorlesung, Universität Münster, Sommersemester 2023. – Different but the same? – US and EU digital market law in comparison, Seminar, Università di Verona, 06.11.2023 und 09.11.2023. – Rechtliche Aspekte von internationalen Transaktionen zwi- schen Unternehmen und Verbrauchern, Seminar, Koźmiński University, Warschau, Sommersemester 2023. – Kurse zum Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft, Bezirkskammer der Rechtsberater in Warschau, Sommer- semester 2023. – Vorlesungen über Verbrauchervertragsrecht und den digi- talen Markt, Institut für Rechtswissenschaften der Polni- schen Akademie der Wissenschaften, Sommersemester 2023. Biset Sena Güneş – Devletler Özel Hukuku I (Turkish Private International Law I), Vorlesung (online), Maltepe University Faculty of Law, Istanbul, Herbsttrimester 2023/2024. – Private International Law I, Vorlesung (online), Maltepe – University Faculty of Law, Istanbul, Herbsttrimester 2023/2024. International Investment Law, Vorlesung (online), Maltepe University Faculty of Law, Istanbul, Herbsttrimester 2023/2024. – Schadens- und Deliktsrecht, Examenskurs, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Wintersemester 2022/23. Claudia Holland – Personalrecht, Blockveranstaltung, Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Blockveranstaltung, Wintersemester 2022/23, Wintersemester 2023/24. Stefan Korch – Einführung in die Rechtswissenschaft mit Grundkurs Zivil- recht I, Vorlesung, Leuphana Universität Lüneburg, Winter- semester 2022/23. – Übung für Fortgeschrittene im Bürgerlichen Recht, Vor- lesung, Leuphana Universität Lüneburg, Wintersemester 2022/23. – Methoden des rechtswissenschaftlichen Arbeitens für Fort- geschrittene, Vorlesung, Leuphana Universität Lüneburg, Wintersemester 2022/23. Christina Angelika Kottke – Strafrecht Allgemeiner Teil II, zwei Arbeitsgemeinschaften, Universität Hamburg, Sommersemester 2023. – Grundlagen des Recht“, zwei Blockseminare, Technische Universität Hamburg, Sommersemester 2023. – Vertragsrecht II, Arbeitsgemeinschaft, Universität Hamburg, Wintersemester 2023/24. – Grundlagen des Rechts, zwei Blockseminare, Technische Universität Hamburg, Wintersemester 2023/24. Rainer Kulms – Digital Markets – A Private Law Perspective, Vorlesung, West-Universität von Timişoara, Rumänien, 15.05.–19.05.2023. – Corporate Finance and Cross-Border Investments in the 21st Century, Vorlesung, China University of Political Science and Law Summer School, Peking, 03.07.–14.07.2023. 45

Jennifer Trinks – EVP VI – Privatrecht: Schuldrecht, Kleingruppen im Examensvorbereitungsprogramm, Bucerius Law School, Hamburg, Sommertrimester 2023. Denise Wiedemann – Gesetzliche Schuldverhältnisse, Examensrepetitorium, Bucerius Law School, Frühjahrstrimester 2023. – Vertiefungsvorlesung IPR (Qualifikation), Vorlesung, Bucerius Law School, Sommertrimester 2023 (22.5.2023). – Rechtsvergleichung und Interdisziplinarität, Seminar, Bucerius Law School, Sommertrimester 2023 (31.5.2023, 21.6.2023, 28.6.2023). Nadjma Yassari – Einführung in das islamische Recht, Vorlesung, Universität Hamburg, Wintersemester 2022/23, Wintersemester 2023/24. – Vergleichendes und islamisches Familienrecht, Seminar, Universität Hamburg, Sommersemester 2023. Reinhard Zimmermann – Römisches Privatrecht, Bucerius Law School, Hamburg, Frühjahrstrimester 2023. – Historisch-rechtsvergleichendes Seminar zum Schuldrecht: Grundentscheidungen des BGB, Blockseminar, gemeinsam mit Prof. Dr. Nils Jansen (Universität Münster) und Prof. Dr. Sonja Meier (Universität zu Köln), Bucerius Law School, Hamburg, Sommertrimester 2023. 2 VERANSTALTUNGEN 47

L’ACTUALITÉ DU DROIT DES SOCIÉTÉS ET DU DROIT DES MARCHÉS FINANCIERS 2023 23.–24.06.2023, Paris Zum zehnten Deutsch-Französischen Symposium hatten Institutsdirektor Holger Fleischer, Katrin Deckert (Univer- sité Paris Nanterre) und Nicolas Rontchevsky (Universität Straßburg) Forscher*innen aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Luxemburg sowie Griechenland eingeladen. Sie diskutierten aktuelle Fragen des Gesellschafts- und Kapital- marktrechts im deutsch-französischen Sprachraum. EVOLVING CORPORATE GOVERNANCE IN EUROPE 12.–13.10.2023, Nijmegen Das dritte Deutsch-Niederländisch-Belgische Symposium wurde von Institutsdirektor Holger Fleischer, Claartje Bulten (Radboud-Universität Nijmegen) und Sofie Cools (KU Leuven) gemeinsam organisiert. Thematischer Schwerpunkt waren aktuelle Entwicklungen im Bereich der Unternehmensführung und des Europäischen Unternehmensrechts. NEUE UND WIEDER ENTDECKTE RECHTSFORMEN 01.–02.06.2023, Wien 15 Wissenschaftler*innen aus dem DACH-Raum stellten beim zwölften Deutsch-Österreichisch-Schweizerischen Sympo- sium die Vielfalt der Rechtsformen in den drei Ländern vor und unterzogen sie rechtsvergleichenden Betrachtungen. Institutsdirektor Holger Fleischer, Susanne Kalss (Wirt- schaftsuniversität Wien) und Hans-Ueli Vogt (Universität Zürich) hatten gemeinsam zu der Veranstaltung eingeladen. 2 VERANSTALTUNGEN 49

2 VERANSTALTUNGEN diversen vertretenen Rechtsgebiete und Episteme von großer Vielfalt geprägt: So reichten die Themen der Präsentationen, um nur drei Beispiele herauszugreifen, von der Annahme eines ganzheitlicheren rechtlichen Rahmens zur Feststellung von Ungleichheiten in der städtischen Organisation Nairobis über ver- gleichende Stadtplanung in Südkorea bis hin zu den sowjetischen Ursprüngen des vietnamesischen Rechtsstaatsprinzips. Der vor- letzte Tag der Summer School begann mit einer Paneldiskussion mit Referent*innen aus dem Globalen Süden zur dekolonialen Rechtsvergleichung und endete mit einer Session über praktische Forschungsmethoden. Am letzten Tag präsentierten sechs wei- tere Teilnehmer*innen Fallstudien aus ihrer jeweiligen Forschung. Unter anderem wurde die Verbindung zwischen dekolonialem Recht und der indigenen Völkergruppe der Xukuru in Brasilien von einem Teilnehmer vorgestellt, der selbst der Xukuru-Gemeinde angehört. Die Veranstaltung konfrontierte die Teilnehmer*innen mit viel- fältigen Themen und wissenschaftlichen Methoden. Statt eines einzelnen, vordefi nierten Denkansatzes taten sich verschiedene Herangehensweisen an die Thematik der dekolonialen Rechtsver- gleichung auf, denn jede*r Kursleiter*in bot eine andere Perspekti- ve an. Die Teilnehmer*innen wurden dazu angeregt, das Gelernte in ihrer eigenen Forschung anzuwenden. DIE EINZELNEN WORKSHOPS WAREN MITUNTER FOLGENDEN THEMEN GEWIDMET: Orlando Aragon Andrade Comparative discussion on self-determination and plurinationality in Mexico and Chile Alfred Ngando Informal law and legal methods Lena Salaymeh Decolonial legal studies Ralf Michaels Legal transplants in decolonial comparative law Flavia Carlet Legal practices and decolonial epistemologies: A case study on Advocacia Popular (People´s Lawyering) in Brazil Aakash Singh Rathore Internalized coloniality (practice of the Brahminical patriarchy in India and constitutional development) Benjamin Ilabaca de la Puente Esq. Case study: Indigenous conceptions of state and property rights in Rapa Nui Karina Theurer Esq., Patrick Kauta Esq. Case study on German-Namibian reparations: The doctrine of intertemporal law in question Kwamou Eva Feukeu Decolonial practical research: The role of listening in participatory action research methodologies 51

2 VERANSTALTUNGEN Innovation und Privatrecht Symposium zum Jahrestreffen des Vereins der Freunde Im Anschluss an sein Jahrestreffen hielt der Verein der Freunde des Hamburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht e.V. ein Symposium mit Kurzvor- trägen von Wissenschaftler*innen aus dem Institut ab. Diese präsentierten Schlaglichter aus ihrer Forschung und beein- druckten mit einer außerordentlichen Themenvielfalt. In seinen einleitenden Worten beleuchtete Institutsdirektor Holger Fleischer das Generalthema aus verschiedenen Pers- pektiven. Unter anderem führte er aus, wie in Anlehnung an die Naturwissenschaften zwischen juristischen Entdeckungen, juristischen Erfi ndungen und juristischem Fortschritt differen- ziert werden kann. Jennifer Trinks, wissenschaftliche Referentin am Institut, stellte in ihrem Vortrag den wirtschaftspolitischen Hintergrund und die Entwicklung der französischen Unternehmensform société par actions simplifi ée (SAS) als gesellschaftsrechtliche Neuschöpfung vor. Ben Köhler, wissenschaftlicher Refe- rent am Institut, erläuterte den von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Institutsdirektor Reinhard Zimmer- mann konzipierten Reformvorschlag zum deutschen Pfl ichtteilsrecht, der anstelle starrer Quoten einem bedarfs- orientierten Ansatz folgt. Daniel Bonilla Maldonado, Professor an der Universidad de los Andes, Bogotá, und Visiting Fellow am Institut, präsentierte seine Thesen zu den im Globalen Süden entwickelten Rechten der Natur und führte unter anderem aus, welche Grundannahmen des modernen westlichen Rechts durch sie in Frage gestellt werden. Nadjma Yassari, Leiterin der For- schungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel“ am Institut, gab einen Über- blick zum rechtlichen Umgang mit dem sich rasant entwickelnden Feld der assistierten Reproduktionsmedizin in der Islamischen Republik Iran. 53

2 VERANSTALTUNGEN 12. Habilitand*innenkolloquium Am 2. und 3. Mai 2023 fand am Institut das 12. Forum für Habilitand*innen und Juniorprofes- sor*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (kurz: Habilitand*innenkolloquium) statt. 13 Nachwuchswissenschaftler*innen aus dem deutschsprachigen Raum stellten dabei die Themen ihrer Qualifikationsarbeiten vor. Die Veranstaltung bot den Direktoren und Habili- tand*innen des Instituts die besondere Gelegen- heit, die jungen Kolleg*innen kennen zu lernen und gemeinsam mit ihnen neue Netzwerke aufzu- bauen. Das Habilitand*innenkolloquium hat eine lange Tradition und wird seit mehr als 20 Jahren im zweijährigen Turnus gehalten. Lediglich 2021 konnte es pandemiebedingt nicht stattfinden. Vortragende beim 12. Habilitand*innenkolloquium: Gregor Albers (Bonn) Forderungskollision. Eine Grundlegung für das deutsche bürgerliche Recht Andreas Baumgartner (Wien) Unternehmensvererbung – Zur Kollision und Konvergenz zwischen Erb- und Unternehmensrecht iwS Felix Berner (Tübingen) Das Utilitätsprinzip im System zivilrechtlicher Haftung Philipp Ceesay (geb. Scholz) (Hamburg) Erosion und Resilienz des erbrechtlichen Formzwangs Philipp Fidler (Wien) Insolvenznahe Kapitalgesellschaften. Typologie und Bewältigung von Konflikten der Kapitalgeber Hanjo Hamann (Wiesbaden) Die Minderung Stefan Holzweber (Wien) Die unkörperliche Sache: Zur dinglichen Wirkung von Rechten Marco Lettenbichler (Liechtenstein) Der Kampf um die Privatautonomie im österreichischen und liechtensteinischen Privatrecht aus rechtsvergleichender Sicht – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft David Markworth (Köln) Mehrkomponentengeschäfte – zum Verhältnis von Rechtswissenschaft und Rechnungslegung Jannik Otto (Düsseldorf) Privates Ermessen – beschränkte Kontrolldichte im Privatrecht Bettina Rentsch (Berlin) Diskurs und Teilhabe in der Aktiengesellschaft – Aktionärs"demokratie" Alexander Sajnovits (Mainz) Verbandsperson vs. Nexus of Contracts – Konzeptionelle Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-amerikani- schen Aktienrecht und jüngere Konvergenzlinien Mathias Walch (Innsbruck) Wahrung fremder Interessen im Privatrecht 55

#FUTUREOFLAW Barcamp Am 2. November 2023 fand am Institut zum ersten Mal ein Barcamp statt. Realisiert wurde die Veranstaltung gemeinsam mit dem Netzwerk „Max Planck Law“ und der Max-Planck-Gesell- schaft, die das Format im Rahmen ihrer Jubiläums- kampagne „75 Jahre MPG“ ermöglicht hat. Stu- dierende und Promovierende aus dem In- und Ausland waren der Einladung ebenso gefolgt wie junge Wissenschaftler*innen aus verschiedenen juristisch geprägten Max-Planck-Instituten. Rund siebzig Teilnehmer*innen tauschten einen Nach- mittag lang in offenen Diskussionsrunden Wissen, Standpunkte und Ideen über juristische Zukunfts- themen aus. Anders als klassische Konferenzen sind Barcamps von einem spontanen, selbstorganisierten Wissensaustausch getragen. Die Teilnehmer*innen gehen ohne feste Agenda an den Start. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde sind alle dazu aufgeru- fen, eigene Themen vorzuschlagen und damit für eine Session zu werben. Das Tagungsprogramm ergibt sich dann aus den Vorschlägen mit der meisten Resonanz. Tonangebend bei dieser Premiere waren einige der großen gesellschaftspolitischen Debatten und ihre Bedeutung für die Rechtswissenschaft. Aus Themenfeldern wie Globalisierung, 2 VERANSTALTUNGEN l y t e c o S k c n a P x a M e h t f o t r a P i | l w a L k c n a P x a M 4 2 0 2 © Klimawandel, Reproduktionsmedizin, Digitalisierung, Gender- fragen und kulturelle Diversität wurden juristisch zugespitzte Fragestellungen abgeleitet. Wie soll die Elternschaft gesetzlich geregelt sein, wenn ein Kind mit Hilfe künstlicher Befruchtung gezeugt wird? Bedarf der Einsatz digitaler und KI-gestützter Technologien in der juristischen Praxis einer staatlichen Regu- lierung? Mit welchen rechtlichen Mitteln kann der Klimakrise am besten begegnet werden? Wie lassen sich Menschen- rechtsabkommen gendergerecht gestalten? So lauteten nur einige der Themen, zu denen es insgesamt zehn teilweise parallel abgehaltene Diskussionsrunden in der Größenordnung von bis zu 25 Teilnehmer*innen gab. Diskutiert wurde aufgrund der vielen vertretenen Sprachen vorwiegend auf Englisch. Aus Sicht der Veranstalter hat sich das Barcamp-Format als Begegnungsplattform für junge Forschende bewährt. Die abschließende Feedbackrunde ergab eine durchweg positive Bilanz. Viele der Teilnehmer*innen sagten, dass aus ihrer Sicht alle Diskussionsbeiträge die gleiche Wertschätzung erhalten hätten, wodurch sie sich ermutigt fühlten, sich weiter an wis- senschaftlichen Diskursen zu beteiligen. Für Max Planck Law war die Veranstaltung ein Erfolg. Weitere Ausgaben im selben Format an verschiedenen Standorten der juristisch geprägten Max-Planck-Institute sollen daher in naher Zukunft folgen. 57

PUBLIKATIONEN 6 0 VERÖFFENTLICHUNGEN DES INSTITUTS 6 5 VERÖFFENTLICHUNGEN DER MITARBEITENDEN

IPRspr – Die deutsche Recht- sprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Die als IPRspr bekannte Entschei- dungssammlung existiert seit der Institutsgründung im Jahr 1926. Ziel des Werkes war und ist eine vollständige und systematische Dokumentation der Rechtspre- chung deutscher Gerichte zum internationalen Privat- und Verfah- rensrecht. Wesentlich erleichtert wird das Auffi nden der relevanten Stellen durch Gesetzes-, Entschei- dungs- und Sachregister. Fast 100 Jahre lang wurde die Sammlung in Form von gedruckten Jahres- bänden veröffentlicht. 2022 ist mit den Entscheidungen aus dem Jahr 2019 die letzte Buchausgabe in Zusammenarbeit mit dem Verlag Mohr Siebeck erschienen. Seitdem arbeitet die Institutsredak- tion an der Erfassung aller späteren Entscheidungen. Deren Ver- öffentlichung ist für den Herbst 2024 vorgesehen. Dann wird das Werk in neuer Form als eigenständige Institutsdatenbank präsentiert und mit größerer Aktualität veröffentlicht. Die Recht- sprechung seit 2004 wird damit im Open Access verfügbar sein. In der Datenbank erschlossene Entscheidungen: 3 2 0 2 > 5000 (bis 2019) > 1000 (ab 2020) https://www.mpipriv.de/iprspr-entscheidungen https://www.mohrsiebeck.com/schriftenreihe/die-deutsche- rechtsprechung-auf-dem-gebiete-des-internationalen- privatrechts-iprspr RabelsZ – Rabels Zeitschrift für ausländisches und internatio- nales Privatrecht Die seit 1927 erscheinende Zeit- schrift wurde von Ernst Rabel als das deutsche Zentralorgan und Forum für die Grundlagen- forschung auf den Gebieten des Privat-, Wirtschafts- und Ver- fahrensrechts in ihren interna- tionalen Aspekten gegründet. Den Namen ihres Gründers führt sie seit dem Jahr 1961 im Titel. Fachgebiete für alle diese Mate- rien sind die Rechtsvergleichung und das Auslandsrecht in verglei- chender Analyse, das Internationale 3 2 0 2 = 78 Beiträge = 67 Autor*innen > 18.000 Artikeldownloads Privat-, Wirtschafts- und Verfahrensrecht sowie die Rechtsver- einheitlichung einschließlich des Europarechts. RabelsZ ver- steht sich als Forum internationaler wissenschaftlicher Ausein- andersetzung und geistigen Austausches mit der ausländischen Forschung. Sie publiziert grundlegende Aufsätze (in Deutsch, Englisch und Französisch) aus allen Arbeitsgebieten des Insti- tuts. Alle Beiträge sind im Open Access verfügbar. https://www.mpipriv.de/rabelsz. https://www.mohrsiebeck.com/rabelsz IPG – Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht Seit 1965 beteiligt sich das Institut an der Edition einer Auswahl von Gutachten, die vom Institut selbst sowie von Universitäts- instituten in ganz Deutschland überwie- gend für Gerichte erstattet werden. Diese Gutachtenauswahl wird im Auftrag des Deutschen Rates für Internationales Pri- vatrecht herausgegeben. Die Bände sind sachlich nach Rechtsgebieten geordnet und werden durch Register erschlossen. Sie haben das Recht aller Kontinente zum Gegenstand, u.a. aus den Bereichen allge- meine Lehren des Zivilrechts, Schuld-, Sachen-, Familien-, Perso- nenstands-, Erbrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Wertpa- pierrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Verfahrensrecht, Konkurs- und Vergleichsrecht, Anwaltsrecht, Devisenrecht und Staatsangehörig- keitsrecht. Die IPG-Redaktion befi ndet sich seit Bestehen der Reihe im Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln. https://ipr.uni-koeln.de/fr/forschung/ipg-gutachten-zum- internationalen-und-auslaendischen-privatrecht https://www.mpipriv.de/ipg-gutachten 3 PUBLIKATIONEN 61

ZJapanR – Zeitschrift für Japanisches Recht Seit 2004 gibt das Institut ge- meinsam mit der Deutsch-Japa- nischen Juristenvereinigung unter redaktioneller Leitung seines Kom- petenzzentrums Japan die Zeit- schrift für Japanisches Recht heraus. Gemäß dem Selbst- verständnis als internationales Periodikum für alle am Japan- recht Interessierte dokumentiert und analysiert die im Jahr 1996 gegründete Zeitschrift regelmäßig und zeitnah in westeuropäischen Sprachen die vielfältigen Entwick- lungslinien in Japan und ist dabei nicht auf den Bereich des Privatrechts begrenzt. Die Beiträge sind im Rahmen einer allgemeinen Moving Wall von vier Heften frei zugänglich. 3 = 35 Beiträge 2 0 2 = 36 Autor*innen > 56.000 Artikeldownloads https://www.mpipriv.de/zjapanr https://www.zjapanr.de RPS/SSRN – Research Paper Series beim Social Science Research Network Die Research Paper Series des Instituts ist eine internetbasierte elektronische Reihe mit Zweit- veröffentlichungen, die seit 2010 auf der Online-Plattform des Social Science Research Network betrieben wird. Sie versammelt Aufsätze neueren Datums aus dem Institut, die zur Veröffent- lichung in anderen Zeitschriften oder Sammelwerken ange- nommen wurden. Die Aufnahme in die RPS setzt voraus, dass die Zweitveröffentlichung durch vertraglich oder gesetzlich eingeräumte Rechte abgedeckt ist. Mit ihrer Bandbreite an Themen und Veröffentlichungsorganen bildet die Reihe eine Art Spiegel für die Vielfältigkeit des Pub- likationsoutputs aus dem Institut und erhöht noch einmal die Reichweite der in ihr enthaltenen Beiträge aller Mitarbeitenden. Sämtliche Beiträge sind frei zugänglich. > 1.590 Artikeldownloads 3 = 23 Beiträge = 18 Autor*innen 2 0 2 3 PUBLIKATIONEN ZChinR – Zeitschrift für Chinesisches Recht Unter ihrem heutigen Namen wird die Zeit- schrift für Chinesisches Recht seit dem Jahr 2004 von der Deutsch-Chinesischen Juristenvereinigung in Verbindung mit dem Deutsch-Chinesischen Institut für Rechts- wissenschaft der Universitäten Göttingen und Nanjing herausgegeben, dessen Vize- direktor in Nanjing als Schriftleiter fungiert. Seit 2015 ist das Max-Planck-Institut mit seinem Kompetenzzentrum China an der Herausgeberschaft beteiligt. Die Zeitschrift veröffentlicht Berichte und Analysen zu aktuellen Rechtsentwicklungen in China sowie Übersetzungen der wichtigsten neuen chinesischen Gesetze. Sämtliche Beiträge sind frei zugänglich. https://www.mpipriv.de/zchinr https://www.zchinr.org HWB-EuP – Handwörterbuch des Europäi- schen Privatrechts Max-EuP – Max Planck Encyclopedia of European Private Law 3 2 0 2 = 13 Beiträge = 17 Autor*innen > 34.000 Artikeldownloads Basierend auf der rechtsvergleichend-his- torischen Expertise des Instituts und unter Rückgriff auf das zum Zeitpunkt der Druck- veröffentlichungen in den Jahren 2009 und 2012 jeweils verfügbare Material unter- suchten beide Werke die damaligen Ent- wicklungen und Harmonisierungsvorhaben für alle Bereiche des Privatrechts. Noch heute bieten sie einen Überblick über das europäische Privatrecht und dienen glei- chermaßen als Hilfsmittel für die Wis- senschaft, die Praxis und die Politik des Rechts. Entsprechend der Anlage als Enzy- klopädie sind die knapp 500 Einträge mit Querverweisen alphabe- tisch geordnet. In den Jahren 2017 und 2021 wurden die beiden Werke in Eigenregie des Max-Planck-Instituts im responsiven Design als Internetpublikationen aufbereitet und im Open Access zweitveröffentlicht. Eine Besonderheit ist, dass jeder Eintrag mit seinem Pendant in der jeweils anderen Sprachfassung verknüpft wurde – ein nützliches Feature für viele, die mit Terminologie- und Übersetzungsfragen im Bereich des Europäischen Privat- rechts befasst sind. 3 > 90.000 Besuche 2 0 2 > 120.000 Seitenansichten https://www.mpipriv.de/rps-ssrn-reihe www.ssrn.com/link/Max-Planck-Comparative-RES https://www.mpipriv.de/hwb-eup https://hwb-eup2009.mpipriv.de https://max-eup2012.mpipriv.de 63

VERÖFFENTLICHUNGEN DER MITARBEITENDEN Die Veröffentlichungswege der Wissenschaft- ler*innen sind nicht auf die regelmäßig erschei- nenden Institutspublikationen begrenzt, sondern reichen geographisch und programmatisch darüber hinaus. Ihre Forschungsergebnisse sind somit global verbreitet und weisen eine große Themenvielfalt auf. Die bibliographischen Daten der Veröffentlichungen aller Mitar- beitenden und soweit verfügbar auch die Volltexte werden in der Datenbank des Publication Repository der Max-Planck-Gesell- schaft (MPG.PuRe) erfasst und von dort in Verzeichnisse auf der Website des Instituts und weitere Kataloge ausgespielt. Unter https://www.mpipriv.de/publikationen/suche können sie bequem recherchiert und nach Publikationsjahr und -typ, Autorschaft und weiteren Kriterien sortiert abgerufen werden. = 101 Zeitschriftenbeiträge = 2 Monografien = 56 Sammelwerkbeiträge = 2 Sammelwerke = 7 Hochschulschriften = 1 Konferenzband 3 2 0 2 = 4 Kommentare = 18 Sonstige Publikationen 3 PUBLIKATIONEN 65

NACHWUCHSFÖRDERUNG 6 8 HABILITATIONEN 6 9 PROMOTIONEN

4 NACHWUCHSFÖRDERUNG Christine Toman Klimawandelhaftung im Internationalen Privatrecht. Promotion bei Ralf Michaels Luca Wimmer Motivirrtum bei Schenkung und letztwilliger Verfügung. Promotion bei Sonja Meier (Köln) Samuel Zeh Der internationale Schmerzensgeldanspruch – Die Bemessung des Schmerzensgeldes bei deliktischen Schädigungen mit Auslandsberührung. (im Verfahren) Promotion bei Ralf Michaels PROMOTIONEN Abgeschlossene Dissertationen Raphael de Barros Fritz The Characterization of Provisions Protecting Forced Heirs Against Lifetime Dispositions. Promotion bei Dennis Solomon (Passau) und Ronald J. Scalise (Tulane) Yannick Chatard Treuestimmrechte. Promotion bei Holger Fleischer Dirk Erdelkamp Nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest. (im Verfahren) Promotion bei Reinhard Zimmermann Simon Horn Vis attractiva contractus: Ausstrahlungswirkung von Verträgen im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht. Promotion bei Jochen Hoffmann (Erlangen-Nürnberg) Eike Hosemann Der Preis der Verführung. Promotion bei Reinhard Zimmermann Jakob Olbing Die Anwendung fremden Kartellrechts. (im Verfahren) Promotion bei Ralf Michaels Christoph Schoppe Vorweggenommener Erbteil – Vorweggenommener Pfl ichtteil. (im Verfahren) Promotion bei Reinhard Zimmermann Julia Tittel Kodifi kation hybrider Rechtsformvarianten im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht. Promotion bei Holger Fleischer 69

Carolin Lunemann Nachfolge in Familienunternehmen. Promotion bei Holger Fleischer Judith Onwuagbaizu Thema in Entwicklung Promotion bei Leonhard Hübner (Osnabrück) Dharmita Prasad Addressing caste-based discrimination in Europe within the Indian diaspora. Promotion bei Ralf Michaels Nils Rüstmann Sanierungsrecht in Deutschland und England, ein Beitrag zur Corporate Governance in der Krise. Promotion bei Klaus J. Hopt Sophia Schulz Verletzungen der Seele – Deliktische Haftung für Schädigungen der Psyche. Promotion bei Ulrich Magnus (Hamburg) Christian Johannes Stemberg Clawback-Klauseln in Vorstandsverträgen. Promotion bei Holger Fleischer Zixuan Yang Party Autonomy to Address the Dilemma of Immigrants’ International Family Relations. Promotion bei Ralf Michaels 4 NACHWUCHSFÖRDERUNG 71

INTERNATIONALE NETZWERKE UND STIPENDIEN 7 4 STIPENDIENPROGRAMME 76 GASTWISSENSCHAFTLER*INNEN IM GESPRÄCH

5 INTERNATIONALE NETZWERKE UND STIPENDIEN Oxford Wissenschaftler*innen des Instituts forschen jeweils für ein Trimester an der juristischen Fakultät der Universität Oxford. Im Gegenzug kommen Fakultätsangehörige und Absol- vent*innen aus Oxford als Gastwissenschaftler*innen ans Institut. Seitens der Universität Oxford wird der Austausch durch das Institute of European and Comparative Law betreut und durch das St. Catherine’s College unterstützt. Kyoto Im Rahmen des Kooperationsvertrags zwischen dem Institut und der juristischen Fakultät der Universität Kyoto fi nden regel- mäßige Austauschprogramme statt, an denen vorwiegend Nachwuchswissenschaftler*innen teilnehmen. Ihr Ziel ist die Intensivierung der projektbezogenen Zusammenarbeit. Max Planck Law Als Teil des Netzwerks Max Planck Law, zu dem sich die rechts- wissenschaftlichen MPI zusammengeschlossen haben, nimmt das Institut an einem Austauschprogramm mit den Universi- täten Oxford und Melbourne sowie der National University of Singapore teil. Stipendien anderer Organisationen 6 Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) 1 Jean-Monnet-Stipendienprogramm 2 Ersasmus+ 1 Alexander von Humboldt-Stiftung 2 Türkischer Wissenschafts- und Technologieforschungsrat (TÜBİTAK) 6 China Scholarship Council (CSC) 10 Forschungsaufenthalte im Rahmen der Kooperationen mit Cambridge, Oxford und Kyoto sowie im Netzwerk Max Planck Law 75 Institutionalisierte Kooperationen Im Rahmen unserer Kooperationen mit den Uni- versitäten Oxford, Cambridge und Kyoto sowie unserer Teilnahme am Netzwerk Max Planck Law haben wissenschaftliche Mitarbeiter*innen des Instituts die Möglichkeit, Forschungsaufenthalte an juristischen Fakultäten im Ausland wahrzu- nehmen. Im Austausch dazu kommen Wissen- schaftler*innen unserer Kooperationspartner ans Institut, um hier zu forschen. Cambridge Partner dieser Kooperation sind die Universität Cambridge und das Wolfson College. Wissenschaftler*innen des Instituts for- schen für jeweils ein Trimester an der juristischen Fakultät der Universität Cambridge. Im Austausch verbringen Rechtswissen- schaftler*innen aus Cambridge ebenso lange Forschungsauf- enthalte am Institut. Stipendien und Fellow- ships des Instituts Institutsstipendien (22 Länder) 33 1 Konrad-Zweigert-Stipendien Fellowships des Instituts Felowships für vom Krieg in der Ukraine betroffene Forschende 2 3 2 Fellowships für vom Erdbeben in der Türkei und Syrien betroffene Forschende

5 INTERNATIONALE NETZWERKE UND STIPENDIEN Časlav Pejović Institutsstipendiat Mit Časlav Pejović hat im Herbst 2023 ein international renommierter Wissenschaftler und akademischer Lehrer am Institut geforscht. Der emeritierte Professor an der Kyushu-Universität in Fukuoka, Japan ist uns durch viele Forschungsthemen wie auch durch langjährige persönliche Kontakte verbunden. Vor seiner Beru- fung nach Kyushu im Jahr 1997 war Pejović außerordentlicher Professor an der Universität Montenegro. Er erwarb juristische Masterabschlüsse an der Universität Belgrad sowie an der Universität Kyoto und promovierte an der Universität Zagreb. Gastvorträge führten ihn an zahlreiche Universitäten, unter anderem Oxford, Heidelberg, Toronto, Georgetown, Peking, Seoul und die National University of Singapore. Neben dem Seerecht und dem internationalen Wirtschaftsrecht lehrt, forscht und publiziert er auch in den Bereichen Arbeitsrecht, Corporate Governance und Rechtsvergleichung. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich mit Auswirkungen des demografischen Wandels auf den japanischen Arbeitsmarkt. Wie würde er das Institut jemandem beschreiben, der oder die noch nie hier war? „Stellen Sie sich einen Ort vor, an dem Sie sich ganz auf Ihre Forschung konzentrieren können und alles bekommen, was Sie dafür brauchen. Das Institut verfügt über eine fantastische Bibliothek mit Zugang zu vielen Daten- banken. Es ist aber die gesamte inspirierende Atmosphäre des Hauses mit seinen freundlichen und professionell versierten Mitarbeiter*innen, die es den Gästen ermöglicht, sich voll und ganz ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu widmen. Interessante Veranstaltungen mit Referent*innen aus vielen verschiedenen Ländern finden hier statt. Nicht zuletzt ist das Institut auch ein Ort, an dem man Forschende aus der ganzen Welt treffen und neue Freundschaften schließen kann. Ich habe es schon vielen meiner Kolleg*innen und Studierenden ans Herz gelegt und nicht wenige von ihnen waren bereits hier, um an diesem wunderbaren Ort inmitten einer der schönsten Gegenden Hamburgs ihre Forschung voranzutreiben.” Pejović war bereits mehrmals als Gastforscher am Institut und hat sich am wissenschaftlichen Leben im Haus aktiv beteiligt, unter anderem mit Vorträgen in den Reihen „Aktuelle Entwick- lungen im japanischen Recht” und „Hamburg Lectures on Mari- time Affairs”. Außerdem ist er Autor mehrerer Beiträge für die Zeitschrift für Japanisches Recht (ZJapanR). „Das Hamburger Max-Planck-Institut ist einer der besten Orte für die Forschung, die ich kenne, und ich habe viele akademische Einrichtungen kennengelernt. Derzeit arbeite ich an mehreren Projekten gleichzeitig und finde, dass ich dafür hier ideale Bedingungen genieße.” Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Regulierung elektronischer Transportdokumente. „Insbesondere nach Inkrafttreten des britischen Electronic Trade Documents Act im September 2023 ist das ein sehr spannendes Thema”, sagt Pejović. Während seines Aufenthalts am Institut schrieb er darüber einen Artikel für eine amerikanische Fachzeit- schrift für internationales Recht und außerdem ein Kapitel für ein Buch, das 2024 bei Routledge erscheinen soll. Außerdem sammelte er Material für ein Kapitel für die Neuauflage von Transnational Commercial Law, die 2024 bei Oxford University Press erscheint. Das größte Projekt, an dem er unter anderem in Hamburg gearbeitet hat, ist ein Lehrbuch zum Seerecht, dessen Erscheinen bei Informa Law ebenfalls für 2024 geplant ist. 77

5 INTERNATIONALE NETZWERKE UND STIPENDIEN Joaquín Garrido Martín Joaquín Garrido Martín studierte Rechtswissenschaften und Philosophie an der Universität Sevilla und absolvierte postgraduale Studien an der Universität Bern sowie am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. 2017 promovierte er an der Universität Sevilla, wo er als Assistenzprofessor römisches Recht lehrt. Längere Forschungsaufenthalte haben ihn nach München, Hamburg, Frankfurt, Heidelberg und Oxford geführt. Stipendiat der Humboldt-Stiftung WORÜBER HABEN SIE WÄHREND IHRES AUFENTHALTS IN HAMBURG GEFORSCHT? WARUM HABEN SIE DAS INSTITUT FÜR IHRE FORSCHUNG AUSGEWÄHLT? Ich interessiere mich für die Methode der Pandektenwissen- schaft, also der wissenschaftlichen Arbeit zum damals so genannten „heutigen römischen Recht“ im 19ten Jahrhundert in Deutschland. Die Pandektenwissenschaft war überaus produktiv und hatte großen internationalen Einfluss. Dennoch ist unser Wissen über sie immer noch etwas lückenhaft. Das liegt vor allem daran, dass sich die Forschung dazu traditionell auf die kulturpolitische und nicht auf die streng rechtsdogma- tische Dimension der Pandektenwissenschaft konzentriert hat. Ich habe versucht, ihre Methode besser zu verstehen, indem ich die dogmatischen Werke der damaligen Zeit studiert habe. Außerdem möchte ich herausfinden, ob ihre als „Konstruktions- jurisprudenz“ bezeichnete Methode der Konstruktion recht- licher Dogmen in den übrigen Teilen des europäischen Kon- tinents, insbesondere in Spanien, aufgegriffen wurde. Bisher wissen wir, dass es eine intensive historisch-philosophische Rezeption gab, aber es bleibt zu untersuchen, ob auch ein wissenschaftliches Modell oder eine spezifische Methode rezipiert wurde, insbesondere am Vorabend der Verkündung unserer Zivilgesetzbücher zum Ende des 19ten Jahrhunderts. Ich habe das Institut nicht nur wegen seines internationalen Ansehens gewählt, sondern vor allem wegen Reinhard Zimmermann, der sicher der führende Vertreter der so genannten „Dogmengeschichte“ ist. Dieser Forschungsansatz fragt nicht so sehr nach der kulturellen oder intellektuellen Vergangenheit des Rechts, sondern vor allem nach der Konti- nuität der Rechtsbegriffe von Rom bis heute. Diese Linie der begrifflichen Kontinuität wird von den Ländern des europäi- schen Kontinents geteilt, die in der Tradition des ius commune stehen, also des „Gemeinen Rechts“ mit römischen Wurzeln vor der Kodifizierung in Europa. Reinhard Zimmermann hat intensiv über das Erbrecht in historisch-vergleichender Pers- pektive geforscht. Das ist auch der dogmatische Bereich, den ich gewählt habe, um meine Analyse des „Rechtsstils“ der Pan- dektisten zu vertiefen. WIE WÜRDEN SIE JEMANDEM DAS INSTITUT BESCHREIBEN, DER*DIE NOCH NIE HIER WAR? Das Institut ist der ideale Ort, wenn man wissen möchte, was moderne historisch-vergleichende Rechtswissenschaft ist und wie sie betrieben werden sollte. Ausgestattet mit einer exzel- lenten Bibliothek, die Bestände aus allen juristischen Diszi- plinen und aus einer Vielzahl kultureller Traditionen enthält, bietet es einen unvergleichlichen Rahmen für die wissenschaft- liche Reflexion. Ich hatte außerdem das Glück, im Team von Reinhard Zimmermann mitzuarbeiten, das regelmäßig wissen- schaftliche Veranstaltungen auf höchstem Niveau durchführt. 79

DIE INSTITUTSBIBLIOTHEK 8 2 SERVICE 8 3 BIBLIOTHEKSGÄSTE 8 4 ETAT UND ERWERBUNGEN

6 INSTITUTSBIBLIOTHEK BIBLIOTHEKSGÄSTE Die einzigartige Sammlung der Institutsbibliothek genießt einen weltweiten Ruf. Zahlreiche Wissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland kommen jedes Jahr ans Institut, um in der Biblio- thek zu forschen. Lesesaalplätze werden daher immer stark nachgefragt und lange im Voraus reserviert. Aufgrund der Planungsunsicherheit der vorangegangen Pan- demiezeit war die Anzahl der ankommenden Gäste im Früh- jahr noch zögerlich, aber stieg danach deutlich an. Im Jahr 2023 nutzten insgesamt 501 Gäste aus 51 Ländern die Chance, im Rahmen von mehrwöchigen bis mehrmonatigen Forschungs- aufenthalten die Bibliothek zu nutzen und sich mit den anderen Gästen sowie den Mitarbeiter*innen des Instituts auszutauschen und zu vernetzen. 2019 2020 2021 2022 2023 Institutsgäste Ausländische Gäste Herkunftsländer 982 445 62 310 219 362 179 124 258 38 31 40 501 357 51 83

6 INSTITUTSBIBLIOTHEK Sachetat der Bibliothek Im Jahr 2023 stand der Bibliothek folgender Sachetat zur Verfügung: Mittel aus dem Kernhaushalt Projektmittel EUR EUR 1.593.505,35 1.056,36 Gesamtsumme EUR 1.594.561,71 Bibliotheksausgaben Ausgaben im Jahr 2023 Tausch + Urheber- rechtsabgabe: < 1% E-Books: 6,76% Einband: 4,16% Externe Datenbanken: 9,40% Projekte: < 1% Fortsetzungen: 12,63% Zeitschriften: 44,01% Monografi en: 22,68% Zeitschriften Monografien Fortsetzungen Einband Externe Datenbanken E-Books Tausch Urheberrechtsabgabe Projektmittel (AvH) EUR EUR EUR EUR EUR EUR EUR EUR EUR 702.981,47 361.624,32 201.395,68 66.306,56 149.894,62 107.779,60 1.984,62 1.538,20 1.056,36 Die aufgeführten Ausgaben beziehen sich lediglich auf die im Institut erworbenen Medien. Nicht berücksichtigt sind die E-Book-Pakete und Datenbanken, die durch die Max Planck Digital Library (MPDL) zentral für mehrere Institute erworben werden (z.B. Beck-Online, Juris, HeinOnline, Springer Link). 85

6 INSTITUTSBIBLIOTHEK Bestandsveränderung Bestandsveränderung im Jahr 2023 (2022 in Klammern) in Medieneinheiten (= ME): Ende 2023 wurden an gedruckten Zeitschriften laufend gehalten: Kauf: Geschenk: Tausch: Summe: 5.273 838 14 6.125 (5.583) ME (575) ME (19) ME (6.177) ME deutsche Titel: ausländische Titel: insgesamt: 300 1.179 1.479 (306) (1.218) (1.524) Die durch Kauf erworbenen 5.273 (5.583) ME setzen sich zusammen aus: Monografien u. Fortsetzungen: Zeitschriften: E-Books 3.337 1.817 119 (3.770) ME (1.813) ME Es wurden 1.012 Bände ausgesondert. Anzahl erworbener Bände 2013 – 2023 in Medieneinheiten Tausch Geschenk Kauf 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Vor über zehn Jahren begann die Anzahl der erworbenen Bände in gedruckter Form kontinuierlich zu sinken, da ein steigender Anteil des Etats für elektronische Zeitschriften, E-Books und Daten- banken ausgegeben wurde. Inzwischen ist die Kurve abgefl acht, da der Schwerpunkt wissenschaftlicher juristischer Publikationen noch immer im Druckbereich liegt. Laufend gehaltene Zeitschriften 2013 – 2023: Deutsche Zeitschriften Ausländische Zeitschriften Anzahl 2.000 1.500 1.000 500 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Auch bei den gehaltenen Abonnements in gedruckter Form begann die Anzahl vor etwa zehn Jahren kontinuierlich zu sinken, da ein steigender Anteil des Etats für elektronische Publikationen ausgegeben wurde. Inzwischen ist die Kurve abgefl acht, da der Schwerpunkt wissenschaftlicher juristischer Publikationen auch bei Periodika noch immer im Druckbereich liegt. Der Zuwachs an Online-Publikationen hält unvermindert an. Im OPAC sind mehr als 19.000 E-Books und über 6.000 Online-Zeit- schriften nachgewiesen. Nachgewiesene E-Books und Online-Zeitschriften im OPAC Anzahl 20.000 18.000 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 Online-Zeitschriften E-Books 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 87

WISSENSTRANSFER 9 0 9 2 RECHTSAUSKÜNFTE BERATUNG FÜR DIE GESETZGEBUNG 9 1 9 3 IMPULSE FÜR DIE PRAXIS WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION

IMPULSE FÜR DIE PRAXIS In grenzüberschreitenden Rechtsfällen müssen deutsche Gerichte immer häufiger ausländisches Recht anwenden. Dessen Ermittlung stellt nicht selten eine praktische Heraus- forderung dar. Im Rahmen eines langfristig angelegten Forschungsprojekts haben Institutsdirektor Ralf Michaels und Jan Peter Schmidt, Leiter des Kompetenzzentrums für die Anwendung ausländischen Rechts am Institut, Leitlinien für die Praxis entwickelt, die dabei helfen sollen, den Umgang mit ausländischem Recht rechtskon- form, transparent und effi zient zu gestalten. Sie bieten Gerichten, Sachverständigen und Parteien Orientierung in Form von nicht bindenden Handlungsempfehlungen. In sie eingefl ossen ist ein intensiver Austausch mit Richter*innen, Anwält*innen und anderen Praktiker*innen. Am 9. Oktober 2023 wurden die „Hamburger Leitlinien zur Er- mittlung und Anwendung ausländischen Rechts in deutschen Verfahren“ am Hanseatischen Oberlandesgericht der Fachöffent- lichkeit vorgestellt. Sie sind kostenfrei als Booklet sowie als Download über die Web- seite www.hhleitlinien.de zugänglich. 7 WISSENSTRANSFER 91

WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION 7 WISSENSTRANSFER Auf unserer Institutswebsite veröffentlichen wir regel- mäßig aktuelle Meldungen zu unserer Forschung. In unserer Mediathek sind Interviews und Podcasts mit unseren Wissenschaftler*innen sowie zahlreiche Mitschnitte von Institusveranstaltungen als Video- und Audiodateien frei zugänglich. Wir verzeichnen wachsende Zugriffszahlen in allen Bereichen. Darüber hinaus sind wir in den Social-Media-Kanälen Face- book, X (vormals Twitter), LinkedIn und Instagram aktiv. Lin- kedIn ist mit über 8.000 Followern der reichweitenstärkste Kanal des Instituts (8.195). Es folgen Facebook (3.281 Fol- lower), X (1.876 Follower) und unser junger Instagram-Kanal (seit März 2023, 455 Follower). In unserem ein- bis zweimal pro Jahr gedruckt und online erscheinendenden Magazin „Private Law Gazette“ stellen wir ausgewählte Forschungstehemen des Instituts vor und berichten über Projekte, Veranstaltungen, Publikationen und Personalien. Über einen umfangreichen internationalen Ver- teiler erreicht die gedruckte Ausgabe neben Medien und wissenschaftsrelevanten Institutionen auch Förderer, Fach- beirät*innen, Kurator*innen sowie zahlreiche Alumnae und Alumni. Alle Ausgaben können als E-Paper über die Instituts- website gelesen und heruntergeladen werden. 93

7 WISSENSTRANSFER  Gesetz gegen Kinderehen ist verfassungswidrig Süddeutsche Zeitung | 29. März 2023 Bericht über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das pauschale Verbot von im Ausland geschlossenen Frühehen. Das Institut hatte im Auftrag des Gerichts eine aus- führliche Stellungnahme zu den Regelungen verfasst, in der die deutsche Rechtslage im internationalen Vergleich analysiert wird.  In anderen Ländern können Wälder oder Flüsse vor Gericht ziehen: Klagt bald der Hambacher Forst gegen RWE? Stern | 13. März 2023 Im Interview erläutert Institutsdirektor Ralf Michaels Idee und Bedeutung der Rechte der Natur und deren Entstehungshinter- grund im Globalen Süden.  Beleidigung, Drohung, Mord Stern | 21. Januar 2023 Im Interview erläutert Matthias Pendl, wissenschaftlicher Referent am Institut, welche gravierenden rechtlichen Folgen der Gebrauch von Emojis nach sich ziehen kann.  Als Visiting Researcher an der Harvard Law School Legal Tribune Online | 14. Januar 2023 In einem Gastbeitrag stellt Jakob Olbing, ehemaliger wissenschaft- licher Assistent am Institut, das Visiting Researcher Program der Harvard Law School vor.  Pistolen-Emojis als Todesdrohung Deutschlandfunk Kultur | 7. Januar 2023 Angesichts der Mehrdeutigkeit von Emojis plädiert Matthias Pendl, wissenschaftlicher Referent am Institut, im Podcast „Breitband“ für ein größeres Problembewusstsein in der Rechtswissenschaft. 95

AUS DEM INSTITUT 9 8 1 06 PERSONALIEN PERSONALSTATISTIK 1 0 4 1 0 7 INTERNE KOMMUNIKATION DRITTMITTEL 1 0 5 GEMEINSAM HELFEN

8 AUS DEM INSTITUT Reinhard Zimmermann mit dem Antonio- Feltrinelli-Preis ausgezeichnet. Reinhard Zimmermann, Direktor emeritus am Institut, ist der Antonio-Feltrinelli-Preis verliehen worden. Dieser gilt als bedeu- tendster italienischer Preis für herausragende Leistungen auf den Gebieten der Wissenschaft und der Kultur. Mit ihm zeichnet die nationale Akademie der Wissenschaften Italiens, die Accademia Nazionale dei Lincei, jedes Jahr italie- nische und ausländische Wissenschaftler*innen und Künst- ler*innen aus. Die feierliche Übergabe des Preises in Anwesen- heit des italienischen Staatspräsidenten erfolgte am 23. Juni 2023 in Rom. Den mit 100.000 Euro dotierten Preis erhielt Zimmermann für seinen bahnbrechenden Beitrag zur Europäi- sierung der Rechtswissenschaften. Zimmermann studierte Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. 1981 folgte er dem Ruf auf den W.P. Schreiner- Lehrstuhl für Römisches Recht und Rechtsvergleichung an der Universität Kapstadt. Von 1988 bis 2002 hatte er den Lehr- stuhl für Bürgerliches Recht, Römisches Recht und Historische Rechtsvergleichung an der Universität Regensburg inne. Gast- professuren führten ihn unter anderem nach Oxford, Cambridge, Yale, Chicago, Auckland und Santiago de Chile. 2002 wurde er zum Direktor am Institut ernannt, wo er im Oktober 2022 eme- ritierte. Von 2011 bis 2023 war er Präsident der Studienstiftung des deutschen Volkes. Der Antonio-Feltrinelli-Preis geht auf eine testamentarische Stiftung nach dem Muster der Nobelstiftung zurück und wird seit 1950 in den Gebieten der Geistes- und Naturwissen- schaften, sowie der Literatur, Kunst und Medizin vergeben. Die 1603 gegründete Accademia Nazionale dei Lincei ist die angese- henste wissenschaftliche Gesellschaft Italiens. Einer der ersten Träger des Antonio-Feltrinelli-Preises war 1952 Thomas Mann. Bislang wurden vier Juristen ausgezeichnet, darunter 1955 Ernst Rabel, der Gründer des heutigen Max-Planck-Instituts für aus- ländisches und internationales Privatrecht. Stefan Korch folgt Ruf an die Universität Münster Stefan Korch, ehemaliger wissenschaft- licher Referent am Institut, hat einen Ruf der Universität Münster angenommen, wo er seit dem Sommersemester 2023 den Lehr- stuhl für Bürgerliches Recht, Gesellschafts-, Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht innehat. Nahezu zeitgleich erhielt er einen Ruf der Leuphana Universität Lüneburg, den er ablehnte. Korch studierte Internationales Wirtschaftsrecht und Rechts- wissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg. Sein anschließendes Promotionsstudium führte ihn als Visiting Scholar im Gibson Dunn US Fellowship Program an die Duke Law School. Außerdem absolvierte er ein einjähriges Masterstudium (LL.M.) an der Harvard Law School. Von 2017 bis 2023 war er am Institut tätig. Von 2018 bis 2021 lehrte er Gesell- schafts- und Kapitalmarktrecht an der Bucerius Law School, die ihn 2022 mit einer Arbeit über Unternehmenskaufverträge habi- litierte. Vor seiner Berufung nach Münster vertrat er den Lehr- stuhl für Bürgerliches Recht, insbesondere transnationales Wirt- schaftsrecht, an der Staatsrechtlichen Fakultät der Leuphana Universität Lüneburg. Knut Benjamin Pißler zum Vizedirektor am Deutsch-Chinesischen Institut für Rechts- wissenschaft berufen Knut Benjamin Pißler, Leiter des Kompe- tenzzentrums China und Korea am Institut, wurde mit Oktober 2023 für zwei Jahre auf das Amt des deutschen Vizedirektors des Deutsch-Chinesischen Instituts für Rechtswissenschaft in Nanjing berufen. Außerdem hat er dort eine vom Deutschen Akademischen Austauschdienst geförderte Langzeitdozentur übernommen. Pißler studierte Rechtswissenschaften an der Julius-Maximi- lians-Universität Würzburg und Rechtswissenschaften sowie Sinologie an der Universität Hamburg, wo er 2003 promovierte. Seit 2002 ist er am Institut tätig. 2013 wurde er von der Juris- tischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen habili- tiert und 2017 zum Professor für chinesisches Recht ernannt. Das Deutsch-Chinesische Institut für Rechtswissenschaft, an dem chinesische und deutsche Studierende ausgebildet werden, ist ein Gemeinschaftsprojekt der Georg-August-Universität Göttingen und der Universität Nanjing. 99

8 AUS DEM INSTITUT für die dann folgende rechtliche Analyse eine transnationale, rechtsvergleichende und interdisziplinäre Perspektive einzu- nehmen. Die Annahme, man fände in einer einzigen Rechts- ordnung, und sei sie noch so ausziseliert wie die deutsche, die Lösung für alles und jedes, erschien ihm abwegig. Theorie als l’art pour l’art war seine Sache nicht, wohl aber die Gesamt- schau wie auch die Systembildung. Kreativität und Offen- heit, sowohl in der Wahl der Forschungsfragen als auch der Methoden, zeichnen Jürgen Basedows Werk aus. Er war davon überzeugt, dass es nicht das allein selig machende Mittel der Erkenntnis gibt, besonders, was die Rechtsvergleichung angeht. Dazu erschienen ihm die Realweltfragen zu vielfältig. Vielmehr verlange jede Forschungsfrage nach der ihr gemäßen, je eigenen Herangehensweise; die Methode müsse dem Gegen- stand folgen. „Wirklichen Erkenntnisgewinn“, so schreibt er, „können wir nicht in der Wagenburg der Adepten einer einzigen Methode erwarten, wir brauchen methodische Öffnung und Freiheit“. Damit ist gleichzeitig das wichtigste Leitmotiv seines Werks genannt, die Freiheit. Dies kommt besonders in dem Titel des Sammelbands zur Deregulierung, „Mehr Freiheit wagen“, und in seinem Haager Cours Général zum Ausdruck: Interna- tionales Privatrecht verstand er als das Recht einer offenen Gesellschaft. Die Rechtswahlfreiheit, eingeschlossen ihr theo- retisches Fundament und ihre Erstreckung auf das Delikts-, Sachen-, Erb- und Familienrecht, ist eines der zentralen Themen des Werks; ihre Behandlung nimmt die Hälfte des ganzen Buchs ein. Solche Freiheit empfand er zunehmend als bedroht. Eindringlich warnte er im Schlusswort des Sympo- sionsbandes anlässlich seiner Emeritierung (erschienen 2018) vor Bürokratisierung, Überregulierung und lähmenden Freiheits- einschränkungen, seien sie noch so gut gemeint. Er erinnerte daran, dass „sich das Wissen um Probleme von Wirtschaft und Gesellschaft zunächst an der Basis bildet und erst allmählich, oft erst sehr spät, in das Bewusstsein der staatlichen Entschei- dungsträger vordringt“ und dass „Menschen nur in Freiheits- räumen Verantwortungsbewusstsein entwickeln können“. Ein zweites Leitmotiv war die Notwendigkeit einer noch stärkeren europäischen Integration, wobei er besonders auf die Überwindung nationaler Grenzen durch private Akteure und dementsprechend auf Privatrecht als enabling law setzte. Geboren im Jahr der Gründung der Bundesrepublik und auf- gewachsen in der Nachkriegszeit, lag ihm das Europäische Projekt, lagen ihm die offenen Grenzen, der Wohlstandsgewinn durch Abbau von Protektionismus und Handelsschranken am Herzen. Er wurde nie müde, die Integration durch Rechtsverein- heitlichung zu verteidigen, gegen alles Lamento über die Klein- teiligkeit der Brüsseler Gesetzgebung. Ebenso wichtig war es ihm, die Einfl üsse des europäischen Rechts auf das der Mit- gliedstaaten, sei es im materiellen Recht, sei es im Kollisions- recht, herauszuarbeiten. Ein drittes Leitmotiv, auch für die Wahl der Themen, denen er sich als Wissenschaftler widmete und die er seinen Schülern ebenfalls ans Herz legte, lautete: „Das Recht entwickelt sich an seinen Grenzen.“ Gerade die Unübersichtlichkeit und das Sektorielle der internationalen und europäischen Rechtsakte mit ihrer Gemengelage aus Privatrecht und öffentlichem Recht, aus Sach- und Kollisionsrecht, aus materiellem und Verfahrens- recht empfand er als Aufgabe für die systematisierende Kraft des Wissenschaftlers. Das Fremdartige weckte in ihm Neugier, nicht Ablehnung. In vielen Beiträgen erschloss er scheinbar randständige Rechtsakte und Entscheidungen und stellte deren Verbindungen zum Kernprivatrecht her. In allem war Jürgen Basedow ein veritabler Schriftsteller, der es nicht nötig hatte, sich hinter Bürokratendeutsch oder barockem Wortschwall zu verstecken. Er formulierte klar und konzise, ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch, mit Eleganz und Humor. Er hat von allen Herausgebern mit Abstand die meisten Glossen für die Zeitschrift für Europäisches Privatrecht verfasst. Sein letztes „Zu Guter Letzt“ erscheint dort in Heft 2/2023. Aufgrund seines Interesses an aktuellen wirtschaftspoliti- schen Themen, seines stupenden Wissens und seines Ideen- reichtums, aber auch seines Sinnes für die praktische Relevanz des Rechts war es folgerichtig, dass Jürgen Basedows Enga- gement und Rat auch in der Rechtspolitik gesucht wurde. Mit Ende 30 war er bereits Mitglied der von dem damaligen Bundeskanzler Kohl eingesetzten Deregulierungskommission und erarbeitete Vorschläge für mehr Wettbewerb zum Beispiel im Energiesektor, in der Transportwirtschaft und im Telekom- munikationsbereich. Kurz darauf erwachte durch die europäi- sche Öffnung und Deregulierung der Versicherungsmärkte, aber auch durch konkrete Fälle, die für ihn nach mehr Verbrau- cherschutz riefen, sein Interesse am Versicherungsrecht. Seine Grundidee war, dass dieses randständige und von Interessen- gruppen geprägte Rechtsgebiet in das allgemeine Vertrags- recht zurückgeholt werden müsste. Als es Anfang 2000 darum ging, ein neues Versicherungsvertragsgesetz zu erarbeiten, war es selbstverständlich, dass Jürgen Basedow in das Exper- tengremium zur Ausarbeitung von Gesetzgebungsvorschlägen berufen wurde. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Monopolkom- mission, die er von 2004 bis 2008 auch leitete, eine extrem zeit- aufwendige Tätigkeit. Schwerpunkte waren das Verkehrs- und Energierecht. Mehrere Hauptgutachten und Stellungnahmen zu Unternehmensfusionen fi elen in seine Amtszeit. Er setzte sich 101

8 AUS DEM INSTITUT lockerer als zur anstrengenden Zeit seines Direktorenamts. Noch eine Woche vor seinem Tod diskutierte er, lebhaft wie immer, bei einem von seiner Schülerin Nadjma Yassari gelei- teten Symposium zum islamischen Erbrecht, wenige Tage später wollte er zu einer Vortragsreise nach New York aufbre- chen, und am 27. April 2023, dem Tag der Trauerfeier, sollte er die keynote speech bei der Eröffnung des neuen familienrecht- lichen Zentrums in Aalborg halten und an der Antrittsvorlesung seines Schülers Jens Scherpe teilnehmen. Vom Abschiednehmen hielt Jürgen Basedow nichts. Wenn man nach einem Seminartag oder auf einer Konferenz abends noch bei einem Glas Wein zusammensaß, konnte es passieren, dass er, gerade noch das Zentrum einer lebhaften Debatte, auf einmal buchstäblich verschwunden war, ohne Zeremonie, ohne die Gesellschaft zu stören. Auch Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter scheiterten mit ihrem Ansinnen, sich von ihm nach Ende der Dienstzeit verabschieden zu wollen: „Sie bleiben doch in der Wissenschaft, also werden wir uns ohnehin ständig wie- dersehen“, so lautete seine Antwort. Und in der Tat: Die Wis- senschaft kennt keinen Abschied. Jürgen Basedow wird am Max-Planck-Institut, in den Gesellschaften, Akademien, Gremien, Zeitschriften und wissenschaftlichen Projekten, die er gegründet, geleitet und geprägt hat, weiter präsent sein und in seinem wissenschaftlichen Werk und in seinen Schülerinnen und Schülern weiterleben. Eva-Maria Kieninger, Würzburg Ralf Michaels, Hamburg Der Nachruf ist in Heft 2/2023 der Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (RabelsZ) erschienen. https://doi.org/10.1628/rabelsz-2023-0051 musste er zusätzlich zu seinem Hamburger Amt als kommis- sarischer Direktor des Göttinger Instituts für Geschichte tätig werden. Von 2002 bis 2014 leitete er in Hamburg eine von ihm mitgegründete interdisziplinäre International Max Planck Research School for Maritime Affairs; dass diese nicht fortge- führt wurde, enttäuschte ihn. Seinem Selbstverständnis zufolge war einem Direktor dieses Max-Planck-Instituts aufgetragen, als Botschafter des deut- schen Privatrechts zu fungieren. Dieses Amt füllte er in zwei Richtungen aus. Einerseits sah er es als seine Aufgabe an, auch in deutschen rechtspolitischen Diskussionen zu interve- nieren und dafür maßgebliche Erkenntnisse der Rechtsverglei- chung und des Europarechts in das deutsche Recht zu über- setzen. Dabei sparte er nicht mit Kritik – der Verlag C.H. Beck etwa beschwerte sich, als er dem (damals noch so genannten) Palandt in einer Glosse die „Goldene Zitrone“ dafür verlieh, dass rechtsvergleichende und europarechtliche Bezüge nicht vorkamen und dass der Text durch die abgekürzte Sprache für Nichtmuttersprachler unlesbar war; nur Ersteres hat sich seitdem geändert. Andererseits vertrat er in der Welt das deutsche und europäische Recht – nicht primär dessen komplizierte Dogmatik, sondern vor allem einen bestimmten wissenschaftlichen Anspruch an das Recht. In diesem Zusammenhang hat Basedow Gesetzgebungspro- jekte und wissenschaftliche Forschung im In- und Ausland beeinfl usst und zahllose Reisen in Universitäten in aller Welt unternommen. Seine weltweite Bedeutung zeigt sich in Aner- kennungen. Er erhielt Ehrendoktortitel von der Universität Stockholm (2002), der Leuphana Universität Lüneburg (2012), der Ivane-Javakhishvili-Universität Tifl is (2012), der Kyushu- Universität Fukuoka (2013), der Université Panthéon-Assas – Paris II (2016) und der Universitat de València (2019). Die Xi’an- Jiaotong-Universität ernannte ihn 2008 zum Ehrenprofessor und die Ungarische Akademie der Wissenschaften 2007 zum Ehrenmitglied. Was Basedow in seinem Nachruf über Drobnig schrieb – dass dieser „ein weltumspannendes Netzwerk wissenschaftlicher Kontakte für ‚sein‘ Institut, das Max-Planck- Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, geschaffen hat“ –, das gilt in vielleicht noch größerem Maße für ihn selbst. Mit seiner Emeritierung 2017 zog sich Basedow wohl aus den öffentlichen Ämtern zurück, nicht aber aus seiner wis- senschaftlichen Tätigkeit. Seitdem entstand nicht nur das genannte Werk „EU Private Law“, sondern er arbeitete an einer weiteren Monografi e zur Rechtsvereinheitlichung, die nun postum veröffentlicht werden soll. Gleichzeitig nahm er aktiv am Institutsleben teil; einigen erschien er zeitweise gelöster, 103

GEMEINSAM HELFEN 8 AUS DEM INSTITUT Die Mitarbeiter*innen des Instituts haben im Jahr 2023 ins- gesamt vier Spendenaktionen organisiert. Zweimal steuerten Freiwillige diverse Snacks und Kuchen für Mittagsbuffets bei, für die Geldspenden gesammelt und dem Bündnis Aktion Deutschland Hilft überwiesen wurden. Außerdem wurden anlässlich des Frühlingsfests und der Weihnachtsfeier von Mitarbeiter*innen angebotene Sachspenden und kreative Aktivitäten versteigert, deren Erlös Ärzte ohne Grenzen zugute kam. SPENDENBUFFET AM 27.02.2023 Erlös von 1.391 Euro zugunsten des Bündnisses Aktion Deutsch- land Hilft für die von Erdbeben betroffenen Menschen in der Türkei und in Syrien. SPENDENAUKTION IM RAHMEN DES FRÜHLINGS- FESTS AM 24.04.2023 Erlös von 1.545 Euro zugunsten des Bündnisses Aktion Deutsch- land Hilft für die von Erdbeben betroffenen Menschen in der Türkei und in Syrien. SPENDENBUFFET AM 08.11.2023 Erlös von 550 Euro zugunsten des Bündnisses Aktion Deutsch- land Hilft für die von Flut und Erdbeben betroffenen Menschen in Libyen, Marokko und Afghanistan. SPENDENAUKTION IM RAHMEN DER WEIHNACHTS- FEIER AM 14.12.2023 Erlös von 750 Euro zugunsten von Ärzte ohne Grenzen. 105

DRITTMITTEL 8 AUS DEM INSTITUT Die Arbeit des Instituts wird durch Drittmittel unterstützt. Diese zusätzlichen Mittel erlauben es uns, besondere Forschungsprojekte und Ver- anstaltungen durchzuführen. Wir bedanken uns daher sehr herzlich bei allen Drittmittelge- ber*innen, die unsere Arbeit im Jahr 2023 unter- stützt haben: Fleischer und Stefan Prigge (Professor an der Hamburg School of Business Administration und Forschungsleiter am Institut für Mittelstandsforschung) und bietet rund 25 Managementfor- scher*innen und Gesellschaftsrechtler*innen aus Wissenschaft und Praxis die Möglichkeit, über Fächergrenzen hinweg in Aus- tausch zu treten. Im Jahr 2023 fand die Tagung unter dem Generalthema „The Many Goals of the Family Firm“ statt (vgl. Veranstaltungsbericht S. 54). MAX-PLANCK-FÖRDERSTIFTUNG Die Max-Planck-Förderstiftung ist die private, unabhängige und gemeinnützige Selbstorganisation von Förderern der Spitzen- forschung der Max-Planck-Gesellschaft. Sie hat unser Institut im Jahr 2023 im Rahmen dieser Projekte unterstützt: Anschubfinanzierung für die Forschungsgruppe „Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder“ Bis Anfang 2016 wurde die Forschungsgruppe von der Max- Planck-Gesellschaft gefördert. Eine weitere Verlängerung der MPG-Forschungsgruppe war trotz deren erfolgreicher Arbeit nicht möglich. Dank großzügiger Spenden seitens der Max- Planck-Förderstiftung konnte die Forschungsgruppe seither dennoch ihre Arbeit mit einem erweiterten Personalbestand fortsetzen. Inzwischen wurde eine von Drittmitteln unabhängige Verstetigung der Forschungsgruppe erreicht. Das Förderpro- jekt konnte daher zum 31.03.2023 erfolgreich abgeschlossen werden. Forschungsförderung des Gesellschafts- und Unternehmens- rechts, insbesondere Recht von Familienunternehmen Dank der Unterstützung von Dr. Holger Otte, Vorsitzender des Vorstands der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als Förderndem Mitglied der Max-Planck-Förderstiftung konnte eine erfolgreiche interdisziplinäre Konferenzreihe zu Recht und Management von Familienunternehmen etabliert werden. Die Reihe steht unter der Leitung von Institutsdirektor Holger JOACHIM HERZ STIFTUNG Die Joachim Herz Stiftung versteht sich als Wegbereiterin für die Bildung. In ihrem Programmbereich „Medizin und Recht“ unter- stützt die Joachim Herz Stiftung das auf mehrere Jahre ange- legte Forschungsprojekt zu Comparative Corporate Social Responsibility. In diesem von der Stiftung unterstützten Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe von Holger Fleischer untersuchen die Wissenschaftler*innen die rechtlichen Grundlagen gesell- schaftlicher Verantwortung von Unternehmen in Deutschland, Europa und der Welt. Für das Vorhaben hat die Joachim Herz Stiftung u.a. eine Doktorandinnenstelle finanziert. Eine wissenschaftliche Veranstaltung ist für das Jahr 2024 geplant. BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ Das von der Forschungsgruppe zum islamischen Recht wissen- schaftlich aufbereitete Internetportal „Familienrecht im Nahen Osten“ bündelt Informationen über das aktuell in Syrien und im Irak angewendete Familienrecht. Mit Unterstützung von Mitteln des Bundesministeriums für Justiz soll dieses Angebot nun auf Afghanistan ausgeweitet werden. Das Portal richtet sich mit seinem Angebot insbesondere an deutsche Behörden, Gerichte oder andere Institutionen, die beispielsweise im Zuge von Asyl- verfahren vor konkrete Fragen des syrischen, irakischen oder afghanischen Familienrechts gestellt werden. 107